Registriert: Montag 5. September 2005, 18:47 Beiträge: 3128 Wohnort: Swisttal
Dieses Thema soll der Diskussion von Art und Gestaltung einer Qualitätskontrolle in der Living History Szene dienen. Hier soll NICHT die Notwendigkeit diskutiert werden.
_________________ Wer war froher als Neanth, da er sich Meister von diesem wundervollen Instrumente sah, wodurch er, ohne das mindeste von der Musik zu verstehen, der Erbe des Talents eines Orpheus zu sein glaubte! - Lukian
Aber zu allererst mal eine einheitliche Nomenklatur!
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Registriert: Dienstag 10. Januar 2006, 12:44 Beiträge: 76 Wohnort: Aachen
Hallo,
im Frühjahr finden zwei Konferenzen statt, die in diesem Zusammenhang für den einen oder anderen interessant sein könnten und man hat mich gebeten, das publik zu machen:
23.-25. April 2009, Uni Freiburg:
STAGING THE PAST - THEMED ENVIRONMENTS IN TRANSCULTURAL PERSPECTIVES.
Registriert: Sonntag 20. Januar 2008, 00:06 Beiträge: 416 Wohnort: vicus bonnensis
Es müsste zunächst, wie von Susanna genannt, ein Dachverband geschaffen werden - vielleicht auch erstmal national auf Deutschland beschränkt. Ein internationaler Verband erfordert wesentlich mehr Koordination, Abstimmung und Organisation.
Dann müsste man definieren, was Living History ist, ab wann es museumspädagogisch relevant ist und welche Qualitätskriterien erfüllt sein müssen, damit ein Verein in den nationalen Verband aufgenommen wird. Wichtig ist auch m.E.n., dass ein Verein dazu offizieller "e.V." sein sollte und kein loser Zusammenschluss.
Man müsste wohl auch noch eine Struktur schaffen, in der Vereine nach Epoche/ Zeitrahmen gegliedert werden. Jede Zeit sollte eine separate Qualitätskontrolle und Satzung erhalten.
Das wären erstmal meine Ideen fürs erste, aber ich halte es auch für schwer, das ganze durchzusetzen, obwohl ich es natürlich sehr zu begrüßen wäre, einen solchen Verband zu schaffen.
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Cicero, De Finibus bonorum et malorum I, 5, 15
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Registriert: Dienstag 10. Januar 2006, 12:44 Beiträge: 76 Wohnort: Aachen
Guten Morgen,
gestern erreichte mich noch die Ankündigung einer weiteren Tagung zum Spannungsfeld zwischen Wissenschaft und Darstellung.
3.-5. Juli 2009, Rheinisches LandesMuseum Bonn: "Vermittlung der Vergangenheit - Gelebte Geschichte als Dialog von Wissenschaft, Darstellung und Rezeption".
Registriert: Mittwoch 26. Oktober 2005, 22:28 Beiträge: 149 Wohnort: Bonn
Andreas hat geschrieben:
3.-5. Juli 2009, Rheinisches LandesMuseum Bonn: "Vermittlung der Vergangenheit - Gelebte Geschichte als Dialog von Wissenschaft, Darstellung und Rezeption".
Es heißt jetzt LVR-LandesMuseum
Mal Spaß beiseite... davon les ich grad zum ersten Mal. Ich geh mich gleich mal kundig machen
_________________ Wenn die Schlauen immer nachgeben, kommt es zur Tyrannei der Dummen!
Registriert: Samstag 10. September 2005, 11:57 Beiträge: 751
Hallo,
eine Qualitätskontrolle ist kein Wert an sich - sondern ist nur ein Werkzeug um ein Ziel zu erreichen. Deswegen ist es wichtig Ziele zu definieren und aus diesen Zielen Massnahmen abzuleiten die dann überprüfbar sind - dies ist dann die Qualittskontrolle. Um aber überprüfbare, d.h. messbare Massnahmen zu definieren braucht man zunächst konkrete (!!!) Ziele. In der Automobielindustrie gibt es z.B. immer fest definierte Zahlen wieviele schadhafte Teile pro eine Million Teile maximal geliefert werden dürfen. Hierbei ist genau festgelegt was schadhaft bedeutet, z.B. das ein Kratzer einen Schaden bedeutet, ein andersfarbige Verpackung aber nicht.
Erst wenn man zu exakt messbaren Kriterien kommt kann man eine echte, objektive Qualitätskontrolle erreichen die nicht auf Willkür basiert. Momentan habe ich bei der ganzen Qualitätsdiskussion das Gefühl das eine versachlichung des Qualitätsbegriffes dringend notwendig ist, da viele Beteiligte eben diese Willkür fürchten und deswegen die Qualitätskontrolle ablehnen. - Ich fürchte ebenfalls das ein unpräsiser Qualitätsbegriff dazu führen wird das hauptsächlich die persönliche Beziehung des Begutachteten zum Gutachter darüber entscheidet, ob die "Qualität" ok ist oder nicht.
Deswegen halte ich es für weniger wichtig darüber zu diskutieren wie man eine Qualitätskontrolle durchführt, dies ergiebt sich meist von alleine, sondern für absolut überfällig zu definieren was man konkret erreichen will. Eine klar definiertes Ziele wäre es z.B. einen realistischen Eindruck von der typischen Bekleidung einer antiken Bevölkerungsgruppe darzustellen. Eine konkrete Maßnahme hierfür wäre dann z.B. das alle Teilnehmer einer Darstellung nur in Stoffe gekleidet sind die in der dargestellten Zeit verbreitet waren, also in einer Darstellung der antike keine Baumwolle zu verwenden. Keinen Verstoss gegen diese Regel wäre z.B. das maschinell gewebte Stoffe verwendet werden.
Insgesamt braucht man 3 Listen: 1. Übergeordnete Ziele, dies sollten wenige seine, die dafür abstrakt sein dürfen. 2. konkete Ziele (einige dutzend) 3. Maßnahmen (viele dutzend - einige hundert)
Solange man sich nicht wenigsten auf die ersten beiden Listen geeinigt hat braucht man nicht über Kontrollen zu diskutieren.
Übrigens braucht man sich nicht in allen Organisationen auf die gleichen Listen einigen - jede Organisation kann Ihre eigenen Qualitätskriterien haben, man muss sie nur sauber definieren und aufschreiben damit man sich auf die jeweiligen Anfordrungen einstellen kann (wenn man denn will). Z.B. können die Timetrotter höhere Ansprüche haben als das RLM, deswegen kann dieses die Timetrotter dann trotzem engagieren und neben eine Truppe stellen die geringere Anforderungen (aber mindestens die des RLM) erfüllt. Die Timetrotter würden dies bei Vertragsunterzeichnung wissen und abschätzen können, da sie ja die Qualitätsanforderungen des RLM kennen können.
Ich plädiere deswegen dafür erstmal die Ziele klar und möglichst konkret zu definieren.
Registriert: Dienstag 10. Januar 2006, 12:44 Beiträge: 76 Wohnort: Aachen
Danke für diesen Beitrag Marcus Mentellius,
der den Komplex auf eine weniger emotional belastete Ebene bringt. Deine erste Zielebene ist nun für mich sehr interessant. Diese erste Ebene deiner Gliederung liefert, wenn ich es richtig verstehe, die Begründung, warum überhaupt eine Living History-Darstellung stattfindet. Nun sind die vorrangigen Orte von Living History nach wie vor die Museen. Die Ziele dieser Institutionen können dann wohl kaum von den Darstellern diktiert werden.
Diese müssten also zunächst von den Museen als Ort des Geschehens und Auftraggeber bestimmt werden - was uns aber nicht hindern sollte, darüber nachzudenken.
Die erste Position der Motive für Living History-Veranstaltungen lässt sich noch leicht benennen:
- Informationsvermittlung an den Besucher
Danach könnten die Meinungen bereits stark auseinander gehen. Aus der bisherigen Diskussion fallen mir da z.B. ein:
- neue Besuchergruppen erschließen - den Bekanntheitsgrad des Hauses erhöhen - einen Grund für einen Wiederholungsbesuch liefern - die Einnahmesituation des Hauses verbessern - eine bessere Positionierung auf dem Feizeitmarkt - Erweiterung des museumspädagogischen Angebots
Kurz gesagt, für ein Museum dürfte m.E. LH ein Instrument der Museumspädagogik und des Marketings zugleich sein.
Registriert: Samstag 10. September 2005, 11:57 Beiträge: 751
Hallo Andreas,
ich stimme Dir voll zu, jeder Veranstallter muss seine eigene Ziele definieren, aber nicht nur die, auch die zu engagierenden Gruppen/Darsteller müssen Ihre eigenen Ziele definieren, weil sie nur so feststellen können ob sie bei einer entsprechende Veranstalltung überhaupt teilnehmen wollen, bzw. unter welchen Bedingungen.
Die Ziele der ersten Ebene brauchen auch nicht umbedingt etwas mit Geschichte oder Pädagogig zusammenhängen, Ziele wie: "Wir wollen mehr Besucher anlocken", oder "Wir wollen von möglichst vielen Museen beauftragt werden" gehören auf jeden Fall genauso dazu. Es ist wichtig bei den übergeordneten Zielen ehrlich zu sein, weil sonst im Hintergrund Ziele "lauern" die nicht formuliert sind aber in Wirklichkeit stark auf Entscheidungen Einfluss nehmen. Entscheidungen sollten sich aber immer vollständig auf Ziele berufen können die vorher genannt wurden, ansonsten werden sie als Willkür wahrgenommen.
Die über geordneten Ziele der Flavii sind ja auf unserer HP zu finden, ich bin mir nur nicht immer sicher ob die Liste vollständig ist
Was uns noch fehlt sind ersten die Liste der konkreten Ziele die aus den übergeordneten Zielen folgt, zweitens die daraus gefolgerten Massnahmen und drittens entsprechende Zieldefinitionen von anderen Organisationen mit dennen wir unsere Ziele vergleichen können um daraus unsere Konsquenzen zu ziehen (d.h. entweder unsere Anforderungen an uns zu erhöhen, Veranstalltungen abzulehnen oder anzunehmen, oder anders zu reagieren)
Registriert: Dienstag 10. Januar 2006, 12:44 Beiträge: 76 Wohnort: Aachen
Diese Denkrichtung gefällt mir!
Eine klare Definition von Zielen, die auch sonst eher unbewußte (oder vieleicht auch verschämt veschwiegene wie "ich will Spaß") Ziele deutlich nennt, könnte tatsächlich zu mehr Zufriedenheit aller Beteiligten und letztendlich zu besseren VAs führen.
Ich hatte immer den Eindruck, dass gerade die unterschiedlichen Zielsetungen von Veranstaltern und Darstellern immer wieder auf's neue zu altbekannten Problemen führen.
In dem Zusammenhang fällt mir immer als bestes Beispiel ein Untersuchungsergebniss von E. Hoffmann, Mittelalterfeste in der Gegenwart (2005) ein, wonach bei den von im befragten Darstellern die eigene "Mittelalter"-Erfahrung und das Gemeinschaftserlebnis mit Gleichgesinnten im Vordergrund stand - und nicht die Vermittlung von Geschichte an Publikum.
Jüngst schrieb dazu ein Darsteller in einem anderen Forum: "Und um mich dem allgemeinen Tenor einzureihen: Ich mache das Hobby für mich und nicht für irgendwelche Besucher. Der zwischenmenschliche Kontakt mit interessierten [Besuchern] auf einer Veranstaltung ist zwar nett, aber nicht der Sinngeber für mein Hobby." (Quelle: http://www.tempus-vivit.net/taverne/thema/4962/seite/1)
Natürlich ist diese Motivation für das Hobby völlig legitim, aber wie man aus der kurzen Aufzählung in meinem letzten Posting sieht, stimmt diese Motivation nicht unbedingt mit den primären Zielen von Museen überein. Für diesen Interssenkonflikt prägte der Vertreter eines Freilichtmuseums auf der Kiekeberg-Tagung 2008 einen recht eingängigen Satz, als er sinngemäß anmerkte, dass er es nicht als Aufgabe eines Museums ansehe, den "Club Med für Reenactors" zu machen.
Insofern unterstütze ich deine Forderung nach ehrlichen Zieldefintionen der Darstellergruppen aus vollem Herzen. Das wäre ein echter Schritt nach vorn und könnte Darstellern wie Veranstaltern eine Menge Ärger und Enttäuschungen ersparen.
Also wenn man schon über eine Qualitätskontrolle nachdenkt, dann:
Ich fände eine Art "Label" daher gut, weil ich die Erfahrung gemacht habe, daß Texte und Informationen so gut wie gar nicht gelesen werden. Warum dies so ist, mag ich weniger zu sagen, als eher zu vermuten (Zeitmangel?). Es wäre also gut, etwas Einheitliches zu formulieren...eine Art Siegel oder Logo.
Über keine Baumwolle in der Antike müssen wir dann noch mal reden, gelle!?
So ein Label sollte allerdings freiwillig sein und nur eine Art Hilfestellung. Sonst wird die gute und wertvolle Zeit bei Diskussionen verpuffen.
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Registriert: Dienstag 10. Januar 2006, 12:44 Beiträge: 76 Wohnort: Aachen
Nun braucht auch ein Label Inhalte, womit wir wieder bei den Zieldefinitionen wären. Doch worauf sollte ein Label ausgerichtet sein? Auf die mangifachen Ziele der Darsteller, oder der Museen?
Rete Amicorum wird an allen drei erwähnten Tagungen teilnehmen und in Freiburg und Bonn auch einen Vortrag halten. Ich bin gespannt, was sich dort alles ergibt...
mit grossem Interesse habe ich dem von Dir genannten Artikel entnommen, dass "bei uns" (Österreich) ein "Österreichischer Verband der KulturvermittlerInnen im Museums- und Ausstellungswesen" = http://www.kulturvermittlerinnen.at existiert.
diese Kriterien dürften wohl von keiner (mir bekannten) "Römer/Griechen/Kelten/Germanen/Thraker/oder sonstwas/Gruppe" jemals erreicht werden ... soweit diese "Einzelpersonenkriterien" auf eine "Darstellungsgruppe" umgelegt werden können
_________________ >>>wer hier Schreibfehler findet darf diese behalten und auch selbst verwenden<<<
Zuletzt geändert von Falcon am Montag 6. April 2009, 16:29, insgesamt 1-mal geändert.
Registriert: Mittwoch 10. Januar 2007, 15:16 Beiträge: 2021 Wohnort: Köln
Darstellung: Pictor
Mehercule, was ist die Seite schlecht. Das ist das HTML-Äquivalent von verprügelt werden mit einem so großen Stock. Aber interessant, trotzdem. Vielen Dank für den Link!
Edit: Doch nicht so toll. Nach den Maßgaben zur Zertifizierung zu urteilen ist das nur ein Hilfsmittel, bereits bestehenden und vor allem angestellten Living Historians und vor allem Kustoden - "Kulturvermittlern" - ein weiteres Zertifikat in die Hand zu drücken, mit denen sie sich von der wachsenden Zahl der Hobbyisten abgrenzen können. Das ist Pfründendenken, bah.
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