Registriert: Samstag 10. September 2005, 11:57 BeitrÀge: 751
Salve,
das Thema hat zwar nichts mit römischen Zivilleben oder Handwerk zu tun
aber ich wuĂte nicht wohin sonst mit dem Thema hin.
Nun zum Thema:
Gibt es eigendlich fĂŒr das erste Jhd. vor Chr. eindeutige archĂ€ologische Unterschiede
zwischen Kelten und Germanen ?
Mein Eindruck ist, das es sich eher um graduelle Unterschiede handelt und eigendlich
mehr Konvention die Zuordnung von einzelnen StÀmmen zur germanischen oder
keltischen Kultur bestimmt.
Womit sich auch einen zweite Frage aufdrÀngt: Gab es ausserhalb der materiellen
Welt andere Kennzeichen die Kelten von Germanen unterschieden haben?
Registriert: Donnerstag 4. Januar 2007, 16:57 BeitrÀge: 268 Wohnort: Hannover
Im materiellen Bereich scheint mir ein Unterschied in den Siedlungsformen gelegen zu haben.
Ansonsten: ich bin kein Kelten/Germanenexperte, aber zuerst wĂŒrde mir als weiterer Unterschied die Sprache einfallen. AuĂerdem etwas andere Gesellschaftsformen mit geringer ausgeprĂ€gter Schichtung, wenn man Tacitus trauen darf (na ja...) und das auf das 1. Jhr. vor Chr. zu ĂŒbertragen wagt. FĂŒr die frĂŒhe Zeit ist irgendwie wenig bekannt, scheint mir. Oder?
Es gibt ganz interessante Untersuchungen der Ănderung der Siedlungsformen und die damit verbundenen sozialen VerhĂ€ltnisse, die ich mal gelesen habe, aber ich habe mir die Fundstellen nicht gemerkt. War aber auch fĂŒr spĂ€tere Zeiten ab dem 2. Jhr. n. Chr..
Soweit ich weiss, basiert die historische Tradition dieser Einteilung tatsÀchlich auf philologischen Unterschieden.
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Registriert: Mittwoch 10. Januar 2007, 15:16 BeitrÀge: 2021 Wohnort: Köln
Darstellung: Pictor
In Werner Ecks "Köln in römischer Zeit" beschreibt er ziemlich ausgiebig die "keltisierten" Ubier in Abgrenzung zu ihren Nachbarn, dabei hebt er ein paar Dinge hervor wie z. B. MĂŒnzprĂ€gung (RegenbogenschĂŒsselchen), Oppidasiedlungen (Dielsberg) und weitreichende Handelsbeziehungen (Import/Export, auch als ZwischenhĂ€ndler entfernterer germanischer StĂ€mme).
Aber dann ist da auch die Frage, ob die Ubier "richtige" Germanen waren, so ganz gelöst scheint die auch nicht zu sein.
Registriert: Samstag 10. September 2005, 11:57 BeitrÀge: 751
Wenn es so ist das man Kelten und Germanen nur schwierig auseinander halten
kann könnte man dann auch vermuten das die Germanen so eine Art "unzivilisierte"
Kelten gewesen sind ?
(wobei ich jetzt groĂzĂŒgig ĂŒber sprachliche Unterschiede hinweggehe ...)
Registriert: Freitag 2. Dezember 2005, 16:38 BeitrĂ€ge: 139 Wohnort: KĂÆĂâĂâöln
Wie schaut das denn bei den Kelten aus? Haben die richtige Könige bzw. StammesoberhĂ€upter, die man als Ansprechpartner nutzen kann? Und dabei ist wichtig, dass sie fĂŒr eine Mehrheit der entsprechenden Bevölkerung sprechen, nicht nur fĂŒr einen winzigen Pizzel-Stamm, und dass sie das besprochene auch weitergeben können.
Die Germanen wurden u.a. deshalb als Barbaren angesehen, weil es keinen festen Ansprechpartner fĂŒr die Griechen/Rom unter ihnen gab. Keinen König, mit dem man etwas aushandeln kann, niemanden, den man schlĂ€gt, und weswegen dann alle Ruhe geben. Es gab bei den Germanen einfach keine Einheitlichkeit. Abr auch das sind alles philologisch begrĂŒndete GrĂŒnde.
Registriert: Donnerstag 4. Januar 2007, 16:57 BeitrÀge: 268 Wohnort: Hannover
Ich glaube nicht, daĂ man die Germanen als unzivilisierte Kelten verstehen kann. Sprache, Lebensformen und Kultur sind doch verschieden, aus der heutigen Sicht. Genausowenig kann man die Slawen mit den Kelten oder Germanen in einen Topf werfen. NatĂŒrlich gibt es Gemeinsamkeiten und jede Unterscheidung hat immer auch gekĂŒnstelte Elemente.
In letzter Zeit nimmt man ja auch verstÀrkt genetischen Untersuchungen vor, um die Herkunft bestimmter Völker zu klÀren. Zum Beispiel soll angeblich die lange Streitfrage, ob die Etrusker authochton waren oder aus dem Osten gekommen sind, durch genetische Untersuchungen zu Gunsten der Ost-These entschieden sein (hab es nur auf DLF gehört, keinen sonstigen Nachweis). Oder zur Besiedlung von Irland: die letzte entscheidende Welle vor den Kelten soll nicht aus Spanien, sondern eher aus dem skandinavischen Raum gekommen sein. Vielleicht gibt es Àhnliche Untersuchungen auch zu den Kelten und Germanen?
.... wenn es denn eine wirkliche keltische welle nach Irland gegeben hat. bisher spricht nichts wirklich dafĂŒr, der letzte Gentest sogar dagegen.
ZurĂŒck zum Thema:
Eigentlich kommen wir jetzt in einen Bereich, wo wir allgemeingĂŒltige Definitionen von keltischem und germanischen Fungut brĂ€uchten... Leider ist jedoch nichts im Leben so einfach. SelbsverstĂ€ndlich lassen sich signifikante Unterschiede herausarbeiten: So haben zum Beispiel die Kelten eine deutlicher herausgeprĂ€gte FĂŒhrungselite (hat Babs ja schon angesprochen), weitere Punkte sind die MĂŒnzprĂ€gung sowie die sogenannten Oppida als Siedlungs- und Herrschaftszentren.
Insgesamt wird wohl niemand bestreiten dass es sich bei StĂ€mmen wie den Avernern um Kelten handekt, genausowenig wird auch niemand widerlegen, dass Cherusker als Germanen anzusprechen sind. (Immerhin sind wir hier noch durch literarische ErwĂ€hnungen unter anderem bei Caesar unterstĂŒtzt)
Komplizierter wird es, wenn wir in der Ăbergangsregion zwischen keltischem und germanischem Gebiet herausfinden wollen ob die örtliche Bevölkerung nun das eine oder das andere war. Teilweise lĂ€sst uns dann auch die römische Ăberlieferung im Stich, was dazu fĂŒhrt, dass manche StĂ€mme wie zum Beispiel die Chatten nicht einwandfrei einer der beiden Gruppen zugeordnet werden können.
Ich frage mich manchmal, ob die Unterteilung im wissenschaftlichen Sinn eine wirkliche Bedeutung besitzt. Immerhin sprechen wir in den meisten FÀllen von einzelnen StÀmmen und nicht "den Kelten" im gesamten. Ehlich gesagt wÀre das bei den regionalen Unterschieden ja auch ein wenig zu verallgemeinernd.
_________________ Publius Militates sine Cognomen Legio Comitatenses Minervii c/o Patrick Stritter
Ich denke. dass wir die signifikante Abgrenzung, wie wir sie heute haben, zu einem nicht unerheblichen Teil den Römern verdanken.
pauschal gesagt: Hier sind die Kelten, die haben wir unterworfen, dort sind die Germanen, die haben sich gewert!
Die archĂ€ologischen Befunde sind natĂŒrlich ein Kapitel fĂŒr sich, aber, wie auch schon die angesprochenen "GrenzstĂ€mme" zeigen, sie reichen nicht aus um jeden STamm deutlich zuzuordnen. Und da greift meiner Meinung nach das römische Idealbild von "zivilisiert vs. unzivilisiert".
_________________ Semper paratus! et quem di diligunt, adulescens moritur.
"Tu regere imperio populos, romane, memento -hae tibi erunt artes- pacique imponere morem, parcere subiectis et debellare superbos." - Vergil
Registriert: Donnerstag 4. Januar 2007, 16:57 BeitrÀge: 268 Wohnort: Hannover
FĂŒr eine keltische Welle nach Irland spricht die Sprache.
Gerade die Cherusker sind doch scheinbar teilweise umstritten, oder?. Manchmal wird die germanische Herkunft in Zweifel gezogen und auf eine vor-indogermanische Restbevölkerung hingewiesen. Naja, finde ich nicht so ĂŒberzeugend, aber ich kenne mich da auch nicht so aus.
Klare Abgrenzungen in Ăbergangsgebieten werden kaum gelingen, warum auch. Ob die Teutonen jetzt Kelten und nur die Kimbern Germanen waren oder beide Germanen oder Kelten, wie es teilweise noch behauptet wird, ist doch so wichtig auch nicht. Als ich mich etwas intensiver mit dem Thema Germanen beschĂ€ftigt habe, so vor ca. 20 Jahren , wurde oft in der Forschung behauptet, man könnte vor dem 1. Jhr. n. Chr. gar nicht von Germanen sprechen. Das scheint sich geĂ€ndert zu haben. Ich hatte das GefĂŒhl, der Zeitgeist spielte damals eine gewisse Rolle.
EinigermaĂen abgrenzen kann man jedenfalls Sprachunterschiede (auch wenn man die Sprachen "zurĂŒckrechnen" muĂ, weil frĂŒhe schriftliche Beispiele selten sind); allerdings sind auch diese Ergebnisse manchmal dĂŒrftig und hĂ€ufig interpretierbar.
Ăbrigens finde ich den Hinweis mit dem "Karierten" ziemlich gut.
Registriert: Samstag 10. September 2005, 11:57 BeitrÀge: 751
Der eigendliche Grund warum ich diese Diskussion ĂŒberhaubt angezettelt habe
besteht darin das ich ĂŒber die Zerstörung des Opidum auf dem Duensberg durch
Drusus gestolpert bin. Dieses Opidum wird durch die Tatsache das es eines ist als
keltisch angesehen allerdings befindet es sich mitten in einem Gebiet das von den
Römern (und allen die nach ihnen kamen) als germanisch angesehen wurde.
AuĂerdem ist Drusus in dieser Zeit angeblich auch immer nur gegen Germanien
gezogen. Wenn man sich dagegen die Funde aus dem Opidum anschaut dann
passen sie allesamt einigermaĂen in keltische Kunstschemata
- also ein relativ undeutliches Bild bzgl. der Frage Kelten oder Germanen.
Allgemein interpretiert man die Sachlage so, das hier im rechtsrheinischen ein
keltischer Stamm, der wÀhrend der keltische Expansion hierhergekommen ist,
sich bis in diese Zeit gehalten hat.
Allerdings wohin sind diese Kelten anschliessend hin ? - Sie sind wohl kaum alle
umgebracht worden.
In spÀterer Zeit ist in diesem Gebiet eigendlich nur noch von
Chatten die Rede. Diese Chatten werden in Quellen Germanen genannt und
dadurch gekennzeichnet das sie geordnet in Phalanxen kÀmpfen - ein Hinweis auf
eine "höhere" Kultur, bzw. Organisationsstufe ? (als Erbe der Kelten ??)
Das es im Ăbergangsbebiet schierig ist Germanen und Kelten auseinander zu halten
ist klar, aber gibt es *klare* Unterschide im Fundgut wenn man sich Kelten aus der
NÀhe der PyrenÀen bzw. Germanen aus Sachsen ansieht ?
Ich meine hier keine qualitativen Unterschiede, die könnten eben darauf hindeuten
das die Germanen einfach unzivilisiert waren, sondern Unterschiede die auf
unterschiedliche Kulturen hindeuten wie z.B. ein anderes KunstverstÀndnis, andere
Herstellungstechnik etc.
Registriert: Samstag 10. September 2005, 11:57 BeitrÀge: 751
Salvete,
eine gute Zusammenfassung unserer Diskussioon und damit auch Beantwortung
der ursprĂŒnglichen Frage habe ich in "Die Römer in Germanien" von R. Wolters
(Uni TĂŒbingen) gefunden:
"...
Von der ArchÀologie wird allgemein die weiter im Osten aufgekommene
Jastorf-Kultur, mit ihrem Zentrum an der unteren Elbe, als die eigendliche
germanische Kultur gesehen.Doch zur Zeit Caesar lassen sich Ihre AuslÀufer
nur ganz vereinzelt am Rhein finden. Erst in der Zeit danach bildeten sich
unter Ihrem EinfluĂ,doch ebenso unter dem der angefĂŒhrten horizontalen
Kulturzonen einschlieĂlich der Latenekultur, die "Germanen" aus. Das bedeutet,
daĂ die keltische Kultur als eher vorangehende, nicht der germanischen
zeitlich parallelstehende Kultur, somit sowohl zur Ausbildung der Germanen im
Osten wie der jetzt von römischen Einfluà geprÀgten gallischen Kultur im
Westen beitrug. Es zĂ€hlt zu den besonderen EigentĂŒmlichkeiten dieses Vorganges,
daĂ der Germanenbegriff CĂ€sars somit der eigendlichen Ethogenese der "Germanen"
vorangegangen ist, ..."
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