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Standartisierung nicht Uniformierung
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Autor:  Abenader [ Montag 12. Oktober 2009, 14:48 ]
Betreff des Beitrags:  Standartisierung nicht Uniformierung

Salvete

Ich möchte mal eine Diskussion lostreten was den Inhalt hat, ob die römische Legion und deren Hilfstruppen weitestgehend in der Ausrüstung Standards aufweisen oder ob man schon von einer gewissen Uniformierung sprechen kann.

Man sieht immer wieder Darsteller in Römergruppen vornehmlich Mitte 1. Bis Anfang 2. Jahrhundert, die sich sehr wenig voneinander unterscheiden, was historisch nicht belegt ist und relativ wenig Spielraum zur Individualität lässt.

Die Frage ist, Was war und was sollte einheitlich sein, und was war und sollte nicht einheitlich sein?
Wo ist die Grenze zur Uniformierung?
Welche Standards waren typisch für die Römische Armee

Zu nennen sind bezogen auf die o.g. Epoche:

Schild und Schildbemalung innerhalb einer Legion?
Segmentata oder Kettenhemd?
Welcher Helmtyp?
Welche Schuhe?
Art des Cingulums
Farbe der Tuniken
Länge der Pila
Welcher Schwerttyp?

Valete

Autor:  Marion [ Montag 12. Oktober 2009, 19:09 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Standartisierung nicht Uniformierung

Ich bin der Meinung, dass es in der Armee so etwas nicht gab. Legionäre, die heutzutage innerhalb einer Truppe weitestgehend gleich auftreten, ringen mir nur ein zaghaftes Lächeln ab. Mehr nicht.
Meistens verrät es mir, dass alle im gleichen Shop eingekauft haben. Achtung!!! Das soll keine Verallgemeinerung sein, ich weiß wieviel Zeit und Geld manche in ihre Ausrüstung stecken!

Aber Alt- und Erbstücke haben in der Ausrüstung der Armeen mit Sicherheit eine ebenso große Rolle gespielt wie Neuanfertigungen.
Helme wurden weitergegeben, Waffen... ist nachweisbar durch Besitzerinschriften.
Außerdem gibt es keinerlei Hinweise in der Literatur oder im archäologischen Befund, dass plötzlich die Order kam: "Werft die alten Sachen weg, Rom hat neue und modernere Helme und Schilde geschickt!"
Im Gegenteil: die Ausrüstung wurde getragen, bis sie nicht mehr zu gebrauchen war. Ein Soldat musste ziemlich lange die zur Verfügung gestellte Ausrüstung abbezahlen... da achtet man drauf, da kümmert man sich drum... sonst steht man am Ende mit weniger Sold da, als man hoffte.
Das allein spricht schon dafür, dass die Soldaten unterschiedlich ausgesehen haben müssen.

Des weiteren find ich es interessant, dass Schwertscheiden- oder Gürtelbeschläge und Beschläge am Pferdegeschirr in deiner Auflistung gar nicht auftauchen, denn das ist, m.E. eines der wichtigsten Kriterien zum Thema "Uniformierung".
Auch wenn viele Beschläge scheinbar gleich aussehen, so gibt es selten hundertprozentige Übereinstimmungen... das ist besonders ausgeprägt ab der zweiten Hälfte des 2. Jhs. n. Chr.

Allerdings bin ich der Meinung, dass das Tragen der Schmuckteile (denn mehr ist das ja nicht an Cingulum, Gürtel und Co) mit zu einer gewissen Etablierung dazugehört. Man uniformiert sich nicht, aber man setzt sich als "Soldatenstand" von den anderen ab, zeigt, dass man was investiert hat, was ein "Normalbürger" in dem Maße nicht kann.
Dementsprechend ist eine gewisse Kennzeichnung gegeben, aber von Uniformität kann da nicht die Rede sein ;)

Ich werd mich da in Zukunft ein wenig genauer mit beschäftigen. Hatte in meiner Magisterarbeit den Ansatz schon mal verfolgt, aber noch nicht so recht ausgearbeitet. Mal sehn, was noch folgt ;)
Interessantes Thema auf jeden Fall! Bin gespannt, was die anderen hier zu sagen haben.

Autor:  Miles [ Dienstag 13. Oktober 2009, 09:21 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Standartisierung nicht Uniformierung

Ich kann mich da Marion nur anschliessen!!

Eine Uniformierung bestand insofern, dass alle Schilde, Schwert, Rüstung, Pilum, usw. hatten. Da aber jedes Stück in Handarbeit gemacht wurde, aus unterschiedlichen Werkstätten, zu unterschiedlichen Zeiten gefertigt wurde, war automatische jedes Stück ein Unikat.
Dann kommt noch das induviduelle Ausschmücken (nach Geschmack und Vermögen..) wie dies Marion auch schon beschrieben hat.
Obwohl die Datenlage sehr dünn ist, kann man wahrscheinlich einzig von der Schildbemahlung von einer Uniformierung sprechen. Wie weit aber das Gleiche Symbol innerhalb der taktischen Einheiten verbreitet ist, entzieht sich meiner Kentniss (Centurie, Kohorte, Legion....). Sinn würde meines Erachtens auf Centurioneneben machen.
Aber auch hier wird es Unterschiede gegeben haben. Kein Schild ist absolut gleich. Die Farben werden immer wieder neu gemischt, da entstehen automatisch abweichungen. Auch das Alter wird seine Spuren hinterlassen haben.
Das sehen wir ja auch bei unseren eigenen. Obwohl wir innerhalb unser Gruppe das selbe Symbol haben, sehen sie doch immer wieder etwas anders aus.

Autor:  Abenader [ Dienstag 13. Oktober 2009, 09:23 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Standartisierung nicht Uniformierung

Salve,

ich bin da ganz deiner Meinung, was die weitergabe der Ausrüstung betrifft. Ich denke auch, dass die Ausrüstung von den Vätern an die Sohne weitergegeben wurde, wenn sie in die Legion eingetreten sind, oder gibt es da andere Quellen.
Als weiterer Punkt kommt hinzu, dass die Legionen oft aus anderen Einheiten aufgestockt wurden, was außerdem zu unterschiedlichen aussehen geführt hat.

Andererseits, wie einheitlich war eine Legion, wenn sie frisch ausgehoben wurde und mit welchen Ausrüstungsgegenständen wurde sie versehen?
Ich vermute, dass es im Reich viele Fabriken gegeben hat, die genau das hergestellt haben was eine Legionen benötigen und das auch in Serien, was in Einzelvertigung nicht möglich war.

Vale

QNC

Autor:  Abenader [ Dienstag 20. Oktober 2009, 09:59 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Standartisierung nicht Uniformierung

Das Jedes Ausrüstungsstück ein Unikat ist, wage ich zu bezweifeln.
Die Fabriken mussten Ihre Arbeit so einteilen, dass die Arbeitsprozesse sehr klein waren, um eine entsprechende Serienproduktion aufrecht zu erhalten.
Ich kann mir schlecht vorstellen, dass ein Armee von ca. 400.000 Soldaten nur einzig mit Unikaten ausgerüstet war, abgesehen von den eigenen individuellen Ausrüstungsgegenständen, die mitunter noch verziert worden.

Vale

QNC

Autor:  Marion [ Dienstag 20. Oktober 2009, 10:14 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Standartisierung nicht Uniformierung

Marion hat geschrieben:
Auch wenn viele Beschläge scheinbar gleich aussehen, so gibt es selten hundertprozentige Übereinstimmungen... das ist besonders ausgeprägt ab der zweiten Hälfte des 2. Jhs. n. Chr.


Unterschiede gibt es immer. Wir haben es hier schließlich nicht mit Fabrikware zu tun, die mittels Laser vermessen und ausgeschnitten wird.
Selbst wenn man von "Serienproduktion" redet... Unterschiede gibt es IMMER.
Sei mal hier ne Ecke mehr abgefeilt als da, oder da mal ein Häkchen mehr drin...

Lässt man diese Kleinklaubereien allerdings mal beiseite, kann man in der Tat nicht von Unikaten sprechen. Dazu gibt es zu oft die Möglichkeit nach Vergleichsstücken zu suchen. Die finden sich dann interessanterweise in Syrien und Britannien ^^

Autor:  Abenader [ Mittwoch 21. Oktober 2009, 15:14 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Standartisierung nicht Uniformierung

Salve, Marion
Im Prinzip sind da immer Unterschiede, da man von einer rein handwerklichen Produktion sprechen kann. Wenn ein Schmied Schwerter schmiedet, sehen sie immer etwas anders aus, aber die Art und Weise wie er schmiedet ist immer die selbe, wenn es sich um einen Schwerttyp handelt.
Die unterschiede treten auch auf, wenn mehrere Schmiede die gleichen Schwerttypen schmieden.
Auch unter den Produktionsstätten gab es sicherlich diverse Unterschiede. Eine Normung, wie wir sie kennen gab es sicherlich nicht.

Vale
QNC

Autor:  Marcus Mentellius Sermonius [ Sonntag 1. November 2009, 17:48 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Standartisierung nicht Uniformierung

salvete

James (der die Militaria aus Dura Europos veröffendlicht hat) hat zum Thema Uniformierung
einen leicht anderen Standpunkt, er sagt natürlich auch das es keine Uniformierung im
modernen Sinne gegeben hat allerdings gab es im 2.Jhd. einige Ausrüstungsstücke die
im ganzen Reich von der syrischen Wüste bis nach Britannien in gleicher Ausführung
gefunden werden. Außerdem betont er das die Soldaten auf Grabsteinen und anderen
Darstellungen sehr gleichförmig dargestellt werden. Die individuelle Kleidung und Ausrüstung
war selbstverständlich im Detail unterschiedlich, aber die grundsätzliche Erscheinung war
sehr ähnlich. James vermutet das hierbei weniger ein Reglement als der Kopsgeist der
Legionäre die "Uniformierung" vorangetrieben hat.

bzgl. der Schildbemalung herrscht weitgehende übereinkunft das diese Reglementiert war,
also eine Einheit auch ein einheitliches Schildsymbol getragen hat. Quellen hierfür sind
die Traianssäule, Tacitus und Vegetius.

bzgl. der Frage einer einheitlichen Tunika-Frage gibt es eine seit ca. 150 Jahren
unentschiedene Diskussion hierzu - wir hatten diese Diskussion auch schon im
Forum rekapituliert. ;-)

valete
Sermonius


valete

Autor:  Susanna [ Dienstag 3. November 2009, 11:53 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Standartisierung nicht Uniformierung

Das ist genau, was Marion sagte...
aber das ist eine Art der Uniformisierung...anyway:

http://de.wikipedia.org/wiki/Uniform

dort auch eine Reenactment-Truppe (römisch) vertreten.
Ich denke aber z.B. nicht, das unbedingt die gleiche Tunicafarbe vorherrschte (gar nicht möglich gewesen) und es gibt eben diese konstanten Unterschiede durch die Fertigung von Hand.

Ich denke daher, man könnte den Text von Wiki leicht abändern. Das klingt etwas absolut. Allerdings wird der Tunica-Artikel auch hart umkämpft. :D

Autor:  Abenader [ Montag 9. November 2009, 17:34 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Standartisierung nicht Uniformierung

Die Frage ist ja auch, ob von der Römischen Armee eine Uniformierung angestrebt wurde oder ob man es bei einer Standartisierung belassen hat.
Technisch gesehen denke ich war die Römische Armee allemal in der Lage Ihre Legionen einheitlich auszurüsten. Aus wirtschaftlichen und Individuellen Gründen hat man vermutlich eine Uniformierung als zweitrangig gesehen.
Auch wenn Truppenteile aus anderen Legionen aufgestockt wurden, hat es das Erscheinungsbild der gesamten Legion immer wieder verändert.

Salvete
QNC

Autor:  Sliza [ Mittwoch 28. Juli 2010, 21:21 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Standartisierung nicht Uniformierung

Ist es also demnach durchaus denkbar, dass es zur flavischen Zeit unter den Legionären auch Hamata-Träger gab? :eyes:

Autor:  Tib. Gabinius [ Donnerstag 29. Juli 2010, 00:37 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Standartisierung nicht Uniformierung

Das ist mehr als wahrscheinlich. Ob diese allerdings mit einer humeralia versehen war ( der Schulterdopplung) ist nicht eindeutig zu beantworten. Auf dem Triumphbau in Adamklissi, also mind. 20 bis 30 Jahre später, werden höchstwahrscheinlich Legionssoldaten dargestellt, diese tragen jedoch vorwiegend hamata. Einige davon mit humeralia, einige mit einer nur auf einer Schulter zu sehenden humeralia und andere ohne.
Da sagt nicht unbedingt viel über die flavische Zeit aus, aber die Traditionslinie scheint zumindest vorhanden zu sein.

Autor:  Sliza [ Donnerstag 2. September 2010, 22:56 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Standartisierung nicht Uniformierung

Marion hat geschrieben:
...Alt- und Erbstücke haben in der Ausrüstung der Armeen mit Sicherheit eine ebenso große Rolle gespielt wie Neuanfertigungen.
Helme wurden weitergegeben, Waffen... ist nachweisbar durch Besitzerinschriften.

Wie verhält es sich da mit den Kurzschwertern? Ist es denkbar, dass ein Gladius, dass im 1. Jahrhundert vor Chr. in Gebrauch war, von einem Legionär per Generationsweitergabe in den Gebrauch eines Legionär nach Chr. kam? Ich meine, der "Verschleiß" bei den Schwertern müsste durch den Schlachtengebrauch doch recht hoch sein, oder?

Tib. Gabinius hat geschrieben:
Das ist mehr als wahrscheinlich. Ob diese allerdings mit einer humeralia versehen war ( der Schulterdopplung) ist nicht eindeutig zu beantworten. Auf dem Triumphbau in Adamklissi, also mind. 20 bis 30 Jahre später, werden höchstwahrscheinlich Legionssoldaten dargestellt, diese tragen jedoch vorwiegend hamata.


Hoffentlich ist das ganz keine total doofe Frage - war die Segmentata 20 bis 30 Jahre nach den Dakerkriegen noch in Gebrauch? Wenn nicht, wäre es nicht denkbar, dass der Künstler, der den Triumphbau bei Adamklissi schuf, einfach nür den zu dem Zeitpunkt existieren (Rüstungs-) Zeitgeist einfing?

Autor:  Abenader [ Mittwoch 8. September 2010, 16:48 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Standartisierung nicht Uniformierung

Salve

Die Gladii so wie viele andere Ausrüstungsgegenstände wurden immer wieder weitergereicht, entweder innerhalb einer Familie Vater Sohn oderinnerhalb der Truppe. Gladii wurden wahrscheinlich wieder instandgesetzt und konnten somit auch 1 Jahrhundert überstehen.
Bei der Segmentate ist es sicherlich ähnlich gewesen, noch im 3. Jahrhundert war sie wahrscheinlich noch vereinzelt in Gebrauch

Vale
QNC

Autor:  Tertius Mummius [ Mittwoch 8. September 2010, 17:25 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Standartisierung nicht Uniformierung

Adaptivität ist eines der Hauptfeatures der römischen Armee. Wahrscheinlich waren Kettenhemden einfach praktischer gegen die Waffen der Daker. Zumindest kannten diese - auch aus der langen Konflikthistorie - Methoden, die Überlegenheit römischer Techniken zu umgehen; da auch hier die Geschichte mehr von Römern als von Dakern geschrieben wurde wissen wir leider nicht, welche. Übrig bleibt das Ergebnis: die Segmentata taucht in Adamklissi nicht auf.

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