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Anforderungen der Museen an Darsteller
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Autor:  Falcon [ Mittwoch 20. Mai 2009, 12:34 ]
Betreff des Beitrags:  Anforderungen der Museen an Darsteller

Andreas hat geschrieben:
...
Marcus dürfte auf der richtigen Spur sein, wenn er glaubt, dass die materielle Ausstattung für Auftraggeber keine so große Rolle spielen würde wie für die Szene.
...

Um in diese Kerbe zu schlagen bzw. sie zu erweitern:

das "Museum/der Veranstalter" hätte eigentlich genau zu definieren was von einer Präsentation erwartet wird:

:arrow: lediglich das Vorführen einer bestimmten Handwerkstechnik usw. - dies kann auch in Jeans vorgeführt & erklärt werden.
Beispiel:
einen Webstuhl in einem sonst leeren Grubenhaus mit historischer Kleidung zu betreiben ist eher befremdend

oder

:arrow: das Vorleben einer Situation in einem dazupassenden Umfeld egal ob z.B. Handwerkstechnik, Hausbewohnung, Gefechtsdarstellung etc.

dafür muss vom Veranstalter ein gewisses Umfeld geschaffen werden:

Beispiele:
Hausbelebung: wer stellt Inventar zur Verfügung und gestattet (z.B. in einem Museumsdorf) die Benutzung/Abnutzung desselben.

Gefechtsdarstellung: soll es eher ein Publikumsmagnet/"Kinderbelustigung*" sein?
oder die "Darstellung" eines "richtigen Gefechtes" - ist sich der Veranstalter dann eigentlich auch bewusst, dass Darsteller "echt bluten" können?
Wer kommt dann für allfällige Behandlungskosten auf? Wer erklärt dem Krankenhaus (für deren Protokoll) dass die Zähne von einer Schildkante ausgeschlagen wurden? Wer klärt mit der Krankenversicherung dann, dass sowas "nicht mutwillig" entstanden ist?

*Kinderbelustigung: Wir haben fast 10 Jahre lang "erfolgreich" (auf ausdrücklichen Wunsch eines Museums) Schlachten "entschärft" für Kinder & jugendliche Besucher "nachgestellt" - nach dem Motto: 1., die Kinder kommen nur mit eintrittszahlenden Erwachsenen 2., die Kinder von heute ("positives Museumserlebnis") sind die "Museumskunden" von morgen.

Autor:  Jupp [ Mittwoch 20. Mai 2009, 14:40 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Notwendigkeit einer Qualitätskontrolle

Falcon, du sprichst mir aus der Seele!

Denn der Verschleiß "unserer" Gerätschaften und Rekonstruktionen (die teilweise div. Museumsauslagen bei weitem übertreffen) geht immer zu unseren Lasten.

Ich will nicht wissen, wie viel Glas und Keramik schon durch Besucher zu Bruch gegangen ist.
Oder bei Kampfshows. Es ist nicht nur mir geschehen, das bei einer musealen Vorführung ein Binns geknackt ist.
O.k., Kämpfer sind oft cool, besonders wenn sich alle kennen. Dann gibt ein jeder ein Paar Taler und im nächsten Jahr wird das neue Schwert betrunken.
Aber, zu Gunsten des Museum ging (zum Glück nur) ein nicht nur kostspieliges Unikat zu Bruch. Den Schaden trägt der Darsteller.
Und bei Verletzungen? Da will ich erst gar nicht drüber nachdenken.
Möchte mal wissen ob bisher ein Museum oder anderer Veranstalter für eine neue Brücke bezahlt hat ...

Nun könnte man argumentieren, das Handwerker ja schließlich auch ihr Werkzeug und Material mitbringen.
Doch dann will ich auch meinen Tagessatz, zzgl. MwSt. kassieren, so wie bei jeden normalem Job.
Aber dann ist es kein Hobby mehr ...

Abgesehen davon, würde sich dann eine "Qualitätskontrolle" erübrigen, da so die Fachleute das Gros am Vorführmaterial bereit stellen.

Autor:  Marcus Mentellius Sermonius [ Mittwoch 20. Mai 2009, 17:04 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Notwendigkeit einer Qualitätskontrolle

Zitat:
... Es ist keineswegs so, dass man LH überall als legitime Methode der Vermittlung anerkennt und mit offenen Armen empfängt. Vielen ist die ganze Sache immer noch suspekt, nicht zuletzt weil sich LH außerhalb der etablierten Bahnen der akademischen Forschung und Lehre bewegt und weitgehend von Akteuren außerhalb dieser Welt gestaltet wird. ...


Hallo Andreas,

Ich hätte bei der ganzen "Diskussion" schon ein besseres Gefühl wenn die Museen bzw.
Akademiker die der LH positiv gegenüberstehen mal ihre Wünsche niederschreiben
würden. Das wäre dann eine Diskussionsbasis mit der man arbeiten kann und dann mit
den Ergebnisse vielleicht sogar skeptische Museen überzeugen kann.

Grüße
Sermonius

Autor:  Andreas [ Mittwoch 20. Mai 2009, 23:06 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Notwendigkeit einer Qualitätskontrolle

Hallo Marcus,

es gibt da im Augenblick wohl nur zwei Publikationen, die mir einfallen und den aktuellen Stand der Diskussion vielleicht einigermaßen wiedergeben:

Duisberg, Heike, ed. 2008. Living History in Freilichtmuseen: Neue Wege der Geschichtsvermittlung. Ehestorf: Förderverein des Freilichtmuseums am Kiekeberg.

Carstensen, Jan, ed. 2008. Living history im Museum: Möglichkeiten und Grenzen einer populären Vermittlungsform. Münster: Waxmann.

Die Büchlein kosten jeweils nicht viel und sind über die bekannten Online-Lieferdienste zu beziehen. Darin kommen sowohl Befürworter wie Skeptiker zu Wort. Wer beide Bände durchgeht wird wohl vor allem eines feststellen: es gibt keine klare Linie, nur eine Menge Einzelmeinungen. Die Lektüre offenbart für mich auch, dass die Autoren einen sehr unterschiedlichen Wissensstand in Sachen LH in die Diskussion einbringen, was es ungemein erschwert, eine gemeinsame Basis zu finden, von der aus man weiter arbeiten könnte.

Autor:  Andreas [ Donnerstag 21. Mai 2009, 09:55 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Anforderungen an den Veranstalter

Falcon hat geschrieben:
das "Museum/der Veranstalter" hätte eigentlich genau zu definieren was von einer Präsentation erwartet wird:


Ich möchte die Gedanken von Falcon und Jupdd aufnehmen und weiterentwickeln, nämlich dass der Veranstalter das entsprechende Umfeld für eine LH-Präsentation schaffen und die Rahmenbedingungen klar definieren muss.

Bisher haben wir unter dem Stichwort Qualität hauptsächlich nur betrachtet, was die Darsteller (und hier auch wieder in erster Linie die Hobbyisten) für die Qualität tun müssten.

Wir sollten auch vermehrt fragen, welche Pflichten und Notwendigkeiten auf die Veranstalter, also die Museen zukommen. Man kann kein erfolgreiches Programm durchführen, wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen.

Darunter würde ich nicht nur so naheliegende Dinge wie die Bereitstellung von geeigneten Räumlichkeiten (Umkleiden, Auftrittsorte im Museum) und Lagerstätten, sanitäre Anlagen, Wasserversorgung (für klassische reenatment-Zeltlager) verstehen, sondern auch die generelle Geschäftskultur inklusive der Entlohnung, Versicherungsfragen usw.

Living History wird fast überall (Ausnahmen z.B. Kiekeberg mit eigenen Freiwilligen) von externen Anbietern geleistet, seien es nun Hobbyisten oder professionelle Anbieter. Somit entsteht automatisch eine Geschäftsbeziehung zwischen aufeinander angewiesenen Partnern. Gestalt und Güte dieser Beziehung nehmen unmittelbaren Einfluß auf das Endprodukt, deshalb müssten wir auch dieses Segment einmal genauer betrachten.

(Gute Idee, diesen Diskussionsstrang aus dem Thread "Notwendigkeit einer Qualitätskontrolle" auszukoppeln.)

Autor:  Tib. Gabinius [ Donnerstag 21. Mai 2009, 14:36 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Anforderungen der Museen an Darsteller

Ich habe mir erlaubt, das Thema zu teilen.
So ganz neu sind Forderungen nach Qualitätsstandarts nun auch wieder nicht. Bereits im Colloquium zur Museumsarbeit 1999 wurden stimmen laut, die bestimmte qualitative Probleme in den neuen Museumspädagogischen Wegen kritisierten, auch wenn es damals eher um das "Mitmach"-Museum ging, also um die Qualität der Materialien und Vorlagen sowie Informationen, die zum Basteln, ausprobieren und selbst erleben dienten.
Umso erstaunlicher, dass 10 Jahre danach noch immer nichts geschehen ist, im Gegenteil, dass mittlerweile der Anspruch der Wissensvermittlung den Darstellern aus dem Museum heraus folgt auf Dorffeste und Veranstaltungen rein monetärer natur.

Vielleicht sollte man selbst eine Initiative starten und bestimmte Stellen und Professoren ansprechen, ob diese bereit sind, ihre Anforderungen zu formulieren. Vielleicht auch vereinfacht durch einen Fragebogen.

Autor:  Andreas [ Freitag 22. Mai 2009, 13:10 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Anforderungen der Museen an Darsteller

Ja, eine Studie darüber, was die Museen als Institution und auch die Didaktiker/Pädagogen von LH erwarten fehlt uns.

Und da es nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, dass Studien nur an Universitäten durchgeführt werden dürften, kann es genausogut auch von Darstellerseite ausgehen. Denn diese Informationen wären für unsere Arbeit - Hobbyisten wie Profis gleichermaßen - ausgesprochen wertvoll.

Wer traut es sich zu, am Design der Studie mitzuwirken?

Autor:  Marcus Mentellius Sermonius [ Mittwoch 27. Mai 2009, 21:38 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Anforderungen der Museen an Darsteller

Hallo,

man könnte so was auch gut als Diplomarbeit machen ...
(Dann ist die Erläuterungsphase bei den Befragen kürzer)
Bei der Gestalltung mache ich gerne mit, ich werde nur Probleme haben tatsächlich
Interviews zu führen.

Wollen wir zielgerichtet unser eigenes Kriterienschema abprüfen oder wollen wir
dem Befragten komplett "frei laufen lassen". Bei ersterem hätte man einen klaren roten
Faden und Anworten sind direkt vergleichbar. Beim zweiten Ansatz haben wir die Chance
auch völlig andere Ansätze kennenzu lernen - allerdings besteht die Gefahr das wir lauter
nicht vergleichbare Interview bekommen.

valete
Sermonius

Autor:  Falcon [ Donnerstag 28. Mai 2009, 07:16 ]
Betreff des Beitrags:  Fragebogen an Veranstalter

Wie wär's zuerst mit einem "freien Interview", danach mit dem Befragten die eigene "Check-Liste" durcharbeiten.

Ist zwar doppelte Arbeit, es sollte dann aber eigentlich kein (und vor allem vorher unbekannter/unberücksichtigter) Aspekt übersehen werden können.
Weiters wäre diese Vorgangsweise auch eine Testung ob der "gelehrte Interviewpartner" bei eigener Definition und fremder Fragestellung zu gleichem Thema sinngemäss die gleiche Antwort gibt.

Hätten wir ja schon erlebt: "Wir bieten was an - das Museum lehnt ab - verlangt im Gegenzug genau das Angebotene mit anderen Worten"

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