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Linothorax- was hälts aus?
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Autor:  Steve Lenz [ Montag 7. Januar 2008, 20:42 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Linothorax- was hälts aus?

Antiballistische Aramidwesten sind auch mehrlagig, versteppt und haben dennoch eine körperangepasste (relativ) steife Form.

Mehrere textile Lagen sind genauso steif wie Dein geklebter Lino, Dain II. Manche Muster deuten für mich eher auf eine Bestickung, denn eine Bemalung. Ich persönlich glaube nicht (mehr), dass der Linothorax geklebt war. Der Schutz baut auf der "schwimmenden Schichtung" ja explizit auf!

Autor:  geala [ Donnerstag 10. Januar 2008, 15:44 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Linothorax- was hälts aus?

Aramidwesten sind versteppt? Bist Du da sicher? Ich kenne nur welche, die an den Seiten zusammengenäht sind. Sie sind, je nach Lagenanzahl, relativ weich bis fest, aber (ohne Keramikeinlagen) nicht annähernd so steif wie ein Metallpanzer.

Ich glaube nicht, daß es geleimte Leinenpanzer gab. Es gibt keinerlei historischen Anhaltspunkt dafür. Was ich besonders merkwürdig finde, ist vor allem die Tatsache, daß Stoffpanzer in der Geschichte recht weit verbreitet waren, aber meines Wissens nach bei den besser dokumentierten Exemplaren aus späterer Zeit oder bei anderen Kulturen nirgendwo ein Hinweis auf eine Leimung zu finden ist. Sollte diese Technik bei Stoffpanzern nur auf die griechische Antike beschränkt gewesen sein? Kaum glaublich, wenn sie doch angeblich solche Vorteile bot. Wenn man woanders auch Leimungen finden könnte, wäre das was anderes. Kennt jemand solche Funde/Quellen?

Fakt ist, das scheinbar für die klassische und frühhellenistische Zeit für Griechen kein Leinenpanzer nachgewiesen werden kann, geschweige denn ein geleimter Leinenpanzer. Es gibt auch den Begriff "linothorax" in keinem Zusammenhang mit Quellen dieser Zeit. Es gibt dagegen zwei Lexika aus der Spätantike, die Leder/Rohhautpanzer für die Griechen sicher bezeugen.

Für den Leinenpanzer spricht die Verfügbarkeit des Materials und seine Nützlichkeit für die Panzerherstellung.

Autor:  Philippos [ Donnerstag 10. Januar 2008, 20:56 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Linothorax- was hälts aus?

geala hat geschrieben:
Es gibt dagegen zwei Lexika aus der Spätantike, die Leder/Rohhautpanzer für die Griechen sicher bezeugen.

Kannst du mir die Quellen bitte nennen, oder hier schreiben? Ich weiß du hast dir schon einen Ast abdiskutiert zu dem Thema im RAT :wink:

Autor:  geala [ Freitag 11. Januar 2008, 12:41 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Linothorax- was hälts aus?

Mit der Frage hast Du mich ganz schön ins Schwitzen gebracht, etwas mal gelesen zu haben und es parat zu haben/ wieder zu finden sind doch zwei paar Schuhe. :D

1. Also, zunächst Iulius Pollux, griech. Polydeukes, 2. Jhr. n. Chr. in Athen tätig, verfaßte ein Onomastikon genanntes Lexikon.

Die Orginalstelle, gefunden zunächst von Dan Diffendale, ist im griechischen Orginal ein Bild, was hier im Forum scheinbar nicht einfügbar ist.:

"
Julius Pollux, Onomasticon VII.70:

(It's from page 291 of this edition via Google Books
http://books.google.com/books?id=v8cNAAAAIAAJ )
________________________________________
Pollux_7.70.PNG
Description:

Filesize: 21.89 KB
Viewed: 34 Time(s)
"

Daher zitiere ich den Post von MeinPanzer/Ruben mit der meiner Ansicht nach zutreffenden Übersetzung:

"
This is great. "Spolas de thorax ek dermatos, kata tous omous ephaptomenos, hos Xenophon ephe "kai spolas anti thorakos" is about as clear as we could hope for.

Stefanos' translation is good, but you make it look like Aristophanes says this. My translation would be:
Quote:
"...wrapped in five sisyras
says Aristophanes. The spolas is a thorax of leather, from
the shoulders attached, so that Xenophon says "and the spolas
instead of the thorax."

The separate sentence "Sophokles names it Libyssan: [The] Libyssan spolas is a spotted hide" is pretty clear that this description is not the normal spolas, but the kind from Libyssa (modern Gebze, where Hannibal committed suicide).
"


2. Das Lexikon von Hesychios von Alexandria (wahrscheinlich 5. Jhr. n. Chr.); der Titel ist so lang, ich erspare in mir.

Gepostet auf RAT von Vishtaspa/Inyigo (ein spanischer Altphilologe?):

"
Apart from Julius Pollux, I have checked Hesychios lexicon and it's very interesting:

(sigma 1542) spolas: khitoniskos bathus skutinos, ho bursinos thorax

"little thick leathern(skutinos) chiton, the leathern (bursinos) thorax"

Well, there is a clare reference to leather as material. Is called both "chiton" (diminutive) and "thorax" (perhaps a civil reference and a military one?)

But again, it is a late autor (V AD) and the term could varied his meaning. But it's very interesting, we have two late (but believable) sources with leather as spolas' material.
"

Dermatos und bursinos muß man nicht mit Leder übersetzen, es könnte evtl. auch Rohhaut bedeuten. Auf RAT wurde dann noch über "alum tawned leather" geredet, was wohl auf deutsch "weißgegerbt" bedeutet, und zu widerstandsfähigem Leder führen soll.

In der Diskussion auf RAT lag es mir öfter auf der Zunge, äh Feder, auf den teilweise problematischen Wert von Lexika hinzuweisen. Ich habe das allerdings nicht gemacht, weil es rabulistisch wäre und peinlich, denn als Leinenpanzervertreter (wie ich in der Diskussion) hat man nicht annähernd vergleichbar Verläßliches auf seiner Seite.

Die Frage, ob "spolas" den griechischen Klappenpanzer der zahlreichen Abbildungen meint, der dann eben aus Leder/Rohhaut gewesen wäre, ist meines Erachtens nicht sicher bewiesen und auch nicht beweisbar. Einiges spricht für diese Argumentation von Paullus Scipio/Paul McDonnell-Staff, der vor allem mit Xenophons Begriffswahl argumentiert, der angeblich mit "thorax" durch alle Werke den Bronzepanzer beschreibt und mit "spolas" dann eben den Klappenpanzer. Allerdings benutzt Xenophon eben scheinbar nicht durchgehend den Begriff "thorax" nur für den bronzenen (Reiter)panzer, ansonsten wäre manche Stelle in der "Hellenika" kaum erklärbar. Z.B. schreibt er, wie kurz vor der Schlacht von Mantineia die Spartaner und Athener ihre Panzer wieder anziehen und benutzt dafür den Begriff "thorax"; kaum glaublich, das damit nur Bronzepanzer gemeint sein sollen. Aber egal, irgendwie ist die Diskussion am toten Punkt angekommen. ^^

Mit Punkten führt derzeit jedenfalls Leder/Rohhaut vor Leinen. :wink:

Autor:  Philippos [ Samstag 12. Januar 2008, 14:58 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Linothorax- was hälts aus?

geala hat geschrieben:
Mit der Frage hast Du mich ganz schön ins Schwitzen gebracht, etwas mal gelesen zu haben und es parat zu haben/ wieder zu finden sind doch zwei paar Schuhe. :D

Ja, das kenn ich gut.... :wink:
Dank dir für die Informationen, sehr interessant.

Autor:  Milo14 [ Montag 4. Februar 2008, 13:01 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Linothorax- was hälts aus?

Mich würde mal interessieren in welchem Text das Wort "Linothorax" eigentlich vorkommt. :?

Hmm die Idee mit der Rohhaut ist gut, aber auf welchem Trägermaterial liegt diese dann?
Vllt vernähter Leinstoff?

Vielen Dank
Schöne Grüße

Autor:  geala [ Montag 11. Februar 2008, 11:39 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Linothorax- was hälts aus?

Es gibt, so weit ich weiß, (nur) 2 Stellen in der Ilias von Homer, wo von "linothorex" die Rede ist. Also 8. Jhr. v. Chr..

Außerdem gibt es eine Stelle beim Dichter Alkaios, wo er von "thorakkes... neo lino..." spricht, im Zusammenhang wohl mit einer Waffensammlung. Das stammt aus dem frühen 6. Jhr. v. Chr. und würde meiner Ansicht nach ganz gut mit dem Auftauchen des Klappenpanzers auf Vasenbildern harmonieren. Diese werden aber verschieden datiert, entweder erst ab 550-520 v. Chr., was wohl zu spät wäre für meine Interpretation, oder bereits auf die erste Hälfte des 6. Jhr., was mit Alkaios passen würde. Alkaios wird als Quelle von einigen aber ausgeschlossen mit dem Hinweis, es wäre nur eine archaisierende Erinnerung an homerische Zeiten und damit kein Bezug zu Hoplitenwaffen da.

In klassischer und hellenistischer Zeit gibt es den Begriff des Leinens im Zusammenhang mit Panzern so weit ich weiß nur für außergriechische Völker. Aus der ausdrücklichen Erwähnung des Leinens nur für außergriechische Panzer wird der Schluß gezogen, das Material wäre in Griechenland nicht benutzt worden, daher die Notwendigkeit der besonderen Erwähnung.

Dann gibt es noch eine Stelle bei Plutarch (2. Jhr. n. Chr.), wo er Leinenpanzer als Weihegaben in einem Tempel in Kleinasien nennt und dazu sagt, Leinenpanzer würden für den Krieg nicht taugen, weil Waffen zu leicht durchdrängen (der Arme kannte wohl die moderne Leimung noch nicht). Hier wird (meiner Ansicht nach haarspalterisch) eingewandt, es sei eben ein Tempel in Kleinasien genannt, nicht in Griechenland. Daher sei das kein Hinweis auf Leinen für griechische Panzer. Aber immerhin ist es der Tempel eines griechischen Gottes, also...

Außerdem, ist mir erst vor kurzem aufgefallen, nennt Nepos bei seiner Story über die angeblichen Iphikratischen Reformen (leichtere Schilde, längere Lanzen und Stiefel für leichte Hopliten) im ersten Viertel des 4. Jhr. ausdrücklich leinerne Panzer als Ersatz für bronzene Panzer und Kettenhemden (wenigstens letzteres ist natürlich anachronistischer Krams). Nepos lebte im 1. Jhr. v. Chr. und ist vielleicht nicht ganz so verläßlich, aber immerhin. Nun paßt diese Info zeitlich allerdings kaum mit den Vasenbildern für (leinerne?) Klappenpanzer zusammen, die bereits seit dem 6. Jhr. v. Chr. zu sehen sind. Wenn man aber nur händeringend Leinen im Zusammenhang mit griechischen Panzern sucht, hat man was gefunden, denke ich.

Außerdem gibt es eine Erwähnung von Leinenpanzern, als Anfang der 3. Jhr. nach Chr. im Osten römische Legionen angeblich nach alter makedonischer Art aufgestellt und mit Leinenpanzern ausgerüstet werden. Auch ziemlich fragliche Information.

Dafür, daß Leinen seit Conolly allgemein als "das" griechische Panzermaterial angesehen wird, ist die Quellenlage ziemlich dünne, aber vorhanden.


Edit: Rohhaut braucht m.E. kein Trägermaterial, sie ist ziemlich steif und fest. Eher braucht sie Schutz vor Schweiß und Regen, könnte also selbst als Trägermaterial gedient haben. Bin aber kein Spezi in dieser Frage.

Autor:  Tib. Gabinius [ Montag 17. März 2008, 00:54 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Linothorax- was hälts aus?

So, jetzt finde ich einmal Zeit und Mu...nunja Zeit, zu antworten.
Zur Aussage oder Theorie, die Panzer wären nicht verleimt gewesen sei gesagt, es gibt mehrere Vasendarstellungen, etwa die Schale des Douris, die zeigen, wie die Schulterteile abstehen.
Beim anlegen der Rüstung wiederum scheint die Struktur sehr steif zu sein, jedenfalls nach den gleichen und ähnlichen Abbildungen (bei Bedarf kann ich gerne das ein oder andere Vasenbild einstellen).
Gegen die Polsterungstheorie spricht die Anwesenheit einer Unterpolsterung ebenfalls auf den bezogenen Vasenbildern. Ein gambesonartiger Panzer, der luftdurchlässig und leicht sein soll, und dann von einem weiteren Polster unterfüttert würde wäre die Folge.
Zuletzt die von Snodgrass, der als erster die vernähte Theorie aufgebracht hat, angeführten Bleche, welche wohl Reste der vorhandenen Beschläge wären. Es macht m.E. wenig Sinn, eine flexible Oberfläche zu schaffen, die dann durch direkte Verbindung (sprich annähen) mit einer starren Oberfläche ihre Flexibilität zumindest z.T. verliert.

Franz entwickelte eine weitere Theorie, in der zwischen Lagen aus Leinen bzw. LederBronzebleche eingenäht wurden. Die Theorie ist nicht von der Hand zu weisen, existieren solche Panzer doch bspw. bei den Mongolen etliche Jahrhunderte später.

Zu den praxisbezogenen Erfahrungswerten sei gesagt, dass mein Panzer aus 15 - 17 Lagen derartig steif ist, dass selbst Messerstiche mit voller Kraft nicht eindringen, das tragen dafür sehr ungemütlich ist und er zu Unbeweglichkeit neigt.
Selbstversuche, so man sie so nennen will ohne konkreten Versuchsaufbau, bei denen ein Probant ungehindert und mit größtmöglicher Wucht mit einem Hiebwerkzeug ausholt und den Gegenstand traktiert beweisen nicht viel, nimmt man etwa den Versuchsaufbau Stahlhelm vs. Direkttreffer oder näher liegend Kettenhemd vs. Gladiusstich als Gegenargumente.
In meinen Augen ist keine dieser Rekonstruktion völlig von der Hand zu weisen oder ausschließen, jeder Versuch aber eine dieser Theorien zu negieren oder "seinen Favoriten" als allein- oder gültigeren zu präsentieren muß an der mangelnden Quellenlage ebenso scheitern, wie an den Problemen der bildlichen Darstellung selbst.

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