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Fiminalia/Bracae Hosen bei den Legionären
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Seite 2 von 2

Autor:  Andreas [ Donnerstag 10. April 2008, 18:45 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Fiminalia/Bracae Hosen bei den Legionären

Hi,

also was das mit dem Reiten angeht, muß ich sagen dass ich auch bei dem Modell ohne Zwickel sehr viel Bewegungsfreiheit habe; da ich aber kein Reiter bin, habe ich das noch nie unter dem Aspekt betrachtet, wo es z.B. weniger Falten gibt, die im Sattel stören könnten. Dazu muß ich mal Angharad als Reiterin fragen. Beide Hosen lagern eh bei ihr.

Zu Miles Skizze: ein sehr ungewöhnliches Modell, wobei mir diese Art von Einsatz im Schritt nicht unbekannt ist. Ich habe sowas ähnliches schon mal bei Hosen aus dem asiatischen oder orientalischen Raum gesehen, aber wüßte grad nicht wo genau und aus welcher Zeit.

Diese bewußten Hosen hatten allerdings keine senkrecht nach unten weisenden Beine, sondern waren anders zugeschnitten. Woher stammt der Entwurf?

Autor:  Andreas [ Donnerstag 10. April 2008, 18:54 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Fiminalia/Bracae Hosen bei den Legionären

Hier habe ich etwas auf die Schnelle rausgesucht, was ungefähr in die Richtung kommt, woran mich die Zeichnung von Miles erinnert, ist allerdings laut der Website aus dem 14. Jh. aus Nubien, was ich erstmal so nicht weiter verifizieren kann. Ganz ähnliche Schnittprinzipien habe ich aber schon öfters in diversen Kulturkreisen gesehen. Allerdings bringe ich da gerade keinen mit "römischer Antike" in Verbindung.
http://www.personal.utulsa.edu/~marc-carlson/cloth/trousers/timotheos1.gif

Manchmal ist mein Gedächtnis ja schon etwas löchrig. Jetzt vergesse ich sogar schon Sachen, über die ich selber publiziert habe! Jedenfalls viel mir grad wie Schuppen von den Augen, dass es ja aus dem frühmittelalterlichen Hafen von Haithabu Textilfunde gibt, die sich eben jenen charakteristischen Zwickeln der F.S. 3684 zuordnen lassen - womit sich meine Idee von vorhin mit der Verlegenheitslösung eigentlich erledigt hätte. Außer es wäre üblich gewesen, die Hosen auf diese Weise mit ihren Trägern mitwachsen zu lassen - aber das wäre es echt eine sehr gewagte These... :eyes:

Hier das dazugehörige Bild, die Reste sind rot in das Thorsbergschnittmuster eingeschrieben:

http://www.rete-amicorum.de/3.jpg

Das ändert aber nichts daran, dass es auch Hosen ohne die speziellen Zwickel gab. :D

Autor:  geala [ Freitag 11. April 2008, 10:34 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Fiminalia/Bracae Hosen bei den Legionären

Ähmm, ich wünschte mir, über griechische Textilien gäbe es so gute Funde/Infos. :)

Aber eigentlich habe ich nur eine simple Frage, die ich mal mehr oder weniger ot hier anhänge:

Ich habe gerade Bücher Nr. 5 und 6 von Simon Scarrow am Wickel, spielen 44/45 n. Chr. in Britannien und Illyrien, da wird öfter fröhlich von den "breeches" der römischen Protagonisten gesprochen. Waren feminalia bei den a) Legionären b) Centurionen c) römischen Seesoldaten zu dieser frühen Zeit (auch im Sommer) Standardausrüstung? Ich dachte bisher, die wurden zu der Zeit nur von Kavallerie und Auxiliartruppen getragen, aber ich bin sicher nicht auf dem neuesten Stand.

Autor:  Miles [ Freitag 11. April 2008, 16:45 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Fiminalia/Bracae Hosen bei den Legionären

Zu meiner Skizze: ich kann nicht wirklich gut Schnittmuster zeichnen, daher nehmt es als "Prinzipschema" an... :D

Wir haben die Hose nicht nach einem bestimmten Vorlage kreiert, da es eben keine verwertbaren römische Funde gibt (oder zumindest mir nicht bekannt...).
Daher gingen wir etwas anders vor:
Wir haben uns an die bekannten Darstellungen von Reliefs orientiert. Dort sind die Hosen ja relativ eng anliegend, in der Länge etwas über's Knie dargestellt. Der Rest sieht man ja niergends. Daher haben wir ein Schnitt gesucht, der dem Bild möglichst nahe kommt, einfach zu machen ist und in der Beweglichkeit funktioniert (dies mit Leder oder gewebte Stoffe, da diese im gegensatz zu gestrickter Wahre nicht nachgibt). Dank meiner Frau (sie ist Handarbeitslehrerin) haben wir schlussendlich diesen Schnitt "erfunden".

Und ich muss sagen, er funktioniert erstaunlich gut (kein scheuern oder geplazte Nähte)!!

Wann hat man die Hose getragen?
ich denke, da gab es keine Regel. Ich persönlich hab die Erfahrung gemacht, dass im Sommer die Hose viel zu warm gibt. Daher trage ich sie je nach Witterung und Temperatur. Aber eben, das ist sehr individuell. Wir haben Leute in der Gruppe, die tragen die Hose immer, andere selbst im Winter nicht.
Das selbe gilt eigentlich auch für Socken.

Autor:  Andreas [ Freitag 11. April 2008, 21:57 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Fiminalia/Bracae Hosen bei den Legionären

Also, ich habe mich mal mit Tobias über das Thema Hosen speziell beim Militär in so früher Zeit unterhalten, ich bin mir nicht mehr so sicher, zu welchem Ergebnis wir da gekommen waren, ab wann Hosen bei regulären Truppen üblich werden, bei allem Militärischen verweise ich aber vertrauensvoll an ihn.

Ich möchte mich dagegen kurz den zivilen Bereich widmen, der ja vielleicht für ein paar Leser auch interessant ist. Da ich mich gerade etwas ausgelaugt fühle, verzeihe man mir, dass ich einfach einen bereits geschriebenen Text in Ausschnitten kopiere und nicht neu formuliere:

"hieme quaternis cum pingui toga tunicis et subucula et thorace laneo et feminalibus et tibialibus muniebatur, ...
Im Winter schützte sich Augustus mit vier Tuniken und einer dicken Toga, einer Untertunika und einem Brusttuch aus Wolle, und Kniehosen und Wadenwickel.
Sueton, Augustus 82,1

Die Verunglimpfung politischer Gegner wegen deren „unsittlichen“ Kleidung hatte in Rom lange Tradition: Cicero beschimpfte Catilina und seine Anhänger, mit langen Ärmeltuniken eine völlig unrömische Kleidung zu tragen (Reden gegen Catilina II 10,22).
Aber Gaius Octavianus musste den Spott nicht fürchten, seine Macht als Princeps und Augustus war gefestigt und wurde durch die Verwendung einer Hose wohl nicht gefährdet.

Gemeinhin glaubt man gerne, die römische Kleidung sei von Einfachheit, fast schon Eintönigkeit gekennzeichnet gewesen. Und obwohl römische Kleider im Grunde tatsächlich sehr simpel konstruiert waren, zeigen doch die Anekdote Suetons über Augustus Privatleben sowie Ciceros politischen Angriffe, dass Kleider im Bewußtsein eines Römers offenbar einen wichtigen Platz einnahmen.

Sittenstrenge und Tradition

Die römische Gesellschaft, jedenfalls deren schreibende Oberschicht, zeichnete sich durch starke Moral- und Sittenvorstellungen aus. Mann beharrte auf die von den ruhmreichen Vorvätern ererbten Traditionen.
(Neu: Und die Hose gehörte nicht zu diesen Traditionen, sie war das Merkmal der Barbaren)
...

Mix der Kulturen
Gallische und germanische Stämme in den neu eroberten Gebieten haben offenbar sehr schnell und begierig die römische Kultur aufgenommen und mit ihren althergebrachten Sitten verschmolzen. Unmittelbar mit der Übernahme römischer Bestattungssitten tritt auf den Bildsteinen eine eigentümliche gallorömische Mode auf, zunächst allerdings nur bei den Männern. Die Verstorbenen ließen sich regelmäßig mit der Paenula und einem Schal bekleidet darstellen. Darunter trugen die sie eine häufig ungegürtete, weite Ärmeltunika, die bis unter die Knie oder zur Mitte der Waden reichte.

Die barbarische Hose scheint aus der Grabkunst völlig verbannt worden zu sein. Knielange Feminalia tragen hier nur Soldaten. Jäger z.B. werden dagegen nur mit Wickelgamaschen dargestellt . Inwiefern dieses Bild der Wirklichkeit entsprach, ist fraglich. Weitere Hinweise auf den Gebrauch langer Beinkleider in der Zivilbevölkerung fehlen bis zur Spätantike, als die lange Hose schließlich salonfähig â€" und damit abbildungswürdig - geworden war."

Autor:  Maiorius Urbanus [ Mittwoch 22. Oktober 2008, 20:13 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Fiminalia/Bracae Hosen bei den Legionären

Ich habe mir die Thorsberghose mal zur Brust genommen und an dem Schnittmuster ein bisschen herumgebastelt. Ich habe im 3. Versuch ein Modell 1:5 hinbekommen, welches einigermaßen passt. Die Bemalung einfach ignorieren. Man darf einfach nichts rumliegen lassen :twisted:
Jetzt habe ich nur noch eine blöde Frage. Was ist eigentlich vorne und was hinten? :?

Dateianhänge:
Hose2.jpg
Hose2.jpg [ 78.51 KiB | 26788-mal betrachtet ]
Hose1.jpg
Hose1.jpg [ 76.95 KiB | 26793-mal betrachtet ]

Autor:  Thraker [ Donnerstag 23. Oktober 2008, 06:11 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Fiminalia/Bracae Hosen bei den Legionären

Die Stelle mit dem schmalen Keil ist vorne, die mit dem breiten hinten.

Autor:  Jupp [ Donnerstag 23. Oktober 2008, 16:36 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Fiminalia/Bracae Hosen bei den Legionären

Sowohl bei den Thorsberghosen, wie auch bei der Damendorfhose liegen die Beinnähte hinten.
(... Fußteile nicht vergessen ;-) )

Autor:  Skopernikus [ Mittwoch 28. Juli 2010, 12:50 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Fiminalia/Bracae Hosen bei den Legionären

Hallo Miteinander
Da der nächste Winter sicher kommt habe ich mich mit grossem Interesse auf dieses Thema gestürzt. :eyes:
Also die Thorsberghose scheint ja sehr brauchbar zu sein - Danke für das Schnittmuster!
Doch wie ist dass mit den a,b,c usw.(bedeutet dies wo was zusammengenäht wird?) bin nicht gerade das tapfere Schneiderlein :roll: sondern eher der Mann in der ersten Schlachtlinie :evil: (Plündern ist mein Fachgebiet :lol: )
Gibt es zu der Thorsberghose denn noch ca. cm Angaben oder sollte man die von einer eigenen Neuzeithose übernehmen???
1000 Dank
vale

Autor:  Alauda [ Mittwoch 28. Juli 2010, 14:47 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Fiminalia/Bracae Hosen bei den Legionären

Hej,

von meinen Mit-Alamannen bekam ich den Tip, auf eine alte Jogginghose oder Ähnliches zurückzugreifen .
Der "Hosenträger " muss die Jogginghose anziehen , und dann kann ein Helfer die Nähte auf den Stoff malen.
An den Stellen schneidet man die Jogginghose auseinander und hat damit ein Schnittmuster, das einem auch einigermaßen passt. Wenn man die Schnittkanten noch entsprechend markiert , dürfte eigentlich nix schiefgehen :shock:
Nahtzugabe nicht vergessen !

Ausprobiert hab ich es bei der speziellen Thorsberghose noch nicht .
Bei einer anderen Moorhose ( ebenfalls aus Thorsberg, aber einfacherer Schnitt ) habe ich die Maße für meinen Gschpusi umgerechnet.
Als Grundlage diente eine Zeichnung aus dem Schlabow, "Textilfunde der Eisenzeit in Norddeutschland"

Alauda

Autor:  lindea [ Mittwoch 13. Oktober 2010, 12:22 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Fiminalia/Bracae Hosen bei den Legionären

Andreas hat geschrieben:

Mix der Kulturen
Gallische und germanische Stämme in den neu eroberten Gebieten haben offenbar sehr schnell und begierig die römische Kultur aufgenommen und mit ihren althergebrachten Sitten verschmolzen. Unmittelbar mit der Übernahme römischer Bestattungssitten tritt auf den Bildsteinen eine eigentümliche gallorömische Mode auf, zunächst allerdings nur bei den Männern. Die Verstorbenen ließen sich regelmäßig mit der Paenula und einem Schal bekleidet darstellen. Darunter trugen die sie eine häufig ungegürtete, weite Ärmeltunika, die bis unter die Knie oder zur Mitte der Waden reichte.


Das ist ja wirklich interessant und ich wusste bis jetzt noch gar nicht, dass sich der Kleidungsstil der Germanen, Gallier und Römer vermischt haben. Auch das die Verstorbenen in einer Tunika gekleidet waren ist interessant. Ich finde die Tunika ist auch eines der wenigen Kleidungsstücke die heute auch immer noch modern sind. Für Männer gibt es das ja leider nicht mehr, aber für Frauen ist eine Tunika immer noch sehr schön.
Wenn ich den Thread hier so verfolge scheint es ja auch gar nicht so einfach zu sein eine Hose nachzunähen sodass sie genauso gemacht ist wie man sie früher genäht hat. Echt spannend.

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