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Kalkriese = Ort der Varusschlacht ?
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Autor:  Marcus Mentellius Sermonius [ Sonntag 19. Februar 2006, 18:43 ]
Betreff des Beitrags:  Kalkriese = Ort der Varusschlacht ?

Salvete

mal wieder ein Frage an die Historiker und Archäologen in diesem
Forum:
Wie ist der Stand der wissenschaftlichen Diskussion um die Frage ob
Kalkriese der Ort der Varusschlacht ist oder nicht ?
Soweit ich weiß gab es hierzu vor einigen Jahren eine Kontroverse
die aber eingeschlafen zu sein scheint. Ist dieses Einschlafen auf
neue archäologische Funde, die die Frage entscheiden, zurückzuführen
oder einfach auf allgemeine Ermüdung - da keine neuen Erkenntnisse
vorliegen?

Eine Frage die sich mir immer stellt, wenn ich die Karte mit den Funden
sehe, ist, wieso sind die Römer 20 km (= ca. ein Tagesmarsch) an
den Germanen entlangmarschiert ohne sie bemerkt zu haben und das in
einem Gelände das entgegen der antiken Überlieferung mit einem
lockernen oder gar keinem Baumbestand besetzt war. Laut Karte hätten
die Römer also einen ganzen Tag in Sichtweite an den Germanen
entlangmarschieren müssen ohne irgendetwas zu unternehmen, um dann
plötzlich überfallen zu werden. Alternativ könnten die Römer auch
die ganze Zeit über mit den Germanen gekämpft haben - dann stellt
sich aber die Frage warum wollten sie unbedingt durch diesen Engpass,
den man ja (bei guter Sicht) erkennen kann, hindurch - nur weil Varus
stur und dumm war? Auch ist der sogenannte Engpass ja immer noch
breit genug um den Römern Raum für eine geordnete Schlachtaufstellung
zu geben - also wenn diese Zeit gehabt hätten, wäre es Ihnen möglich
gewesen eine "geordnete" Schlacht zu schlagen, nur dann würde man eine
andere Verteilung der Funde erwarten.

Es ist mir klar das aufgrund der Münzfunde und Waffenfunden
man eindeutig ein Schlachtfeld in Kalkriese gefunden hat bei dem, um das
Jahr 9. n. Chr., die Römer erhebliche Verluste erlitten haben - auch
der Fund der Knochengruben passt recht gut zu der Tacitus
Überlieferung, wonach Germanicus das Schlachtfeld der Varusschlacht
besucht hat und die Gebeine der Opfer beerdigen lies. Allerdings haben
um das Jahr 9 n.Chr. herum viele Schlachen von Germannen und Römern
stattgefunden ohne das man Ihre Orte genauer kennt - also was macht
die Welt so sicher das Kalkriese wirklich der Ort der Varusschlacht
ist und nicht einfach ein römischer Geleitzug hier überfallen wurde?

Valete
Marcus

Autor:  Barbara [ Montag 20. Februar 2006, 13:37 ]
Betreff des Beitrags: 

Jaja, eines der nicht so erfreulichen Kapitel der Forschungsgeschichte.

Zum einen: die ganze Datierung hängt an wenigen Fundstücken, die allgemein dem sog. "Haltern - Horizont" angehören, einer der Umkehrschlüsse der Archäologie, denn man datiert nur anhand von Fundstücken und hat keinerlei Inschriften mit Jahreszahlen etc.
Inzwischen wird vermutet, das dieser "Haltern -Horizont" gar nicht um 9 nach endet, sondern um 14 nach, was eine historische Verknüpfung mit Germanicus nahe legt.
Die Diskussion mit Kalkriese - Varusschlacht ja oder nein? wirft man sich jetzt seit mehreren Jahren um den Kopf. Das Museum, mit seinen Mannshohen Lettern "Jetzt bin ich mir sicher, dies ist der Ort der Varusschlacht" (oder so ähnlich) betreibt meiner Meinung (und auch der Meinung einiger anderer Archäologen etc. ) nach "Betroffenheitsarchäologie" und ist nicht immer wirklich ernstzunehmen. Wie sagte erst kürzlich ein Dozent vom RGZM zu mir: Warten wir mal bis zum Jahr 2009...

Autor:  Siriana selene [ Montag 4. September 2006, 13:06 ]
Betreff des Beitrags: 

Richtige Gewissheit wird erst ein Fund eines Legionsadlers bringen, ob Kalkriese der Ort der Varusschlacht ist.

Ja Ja, ich weiss Germanicus hat die verlorengegangenen Feldzeichen nach Rom zurückgebracht, aber was wenn er doch nicht alle wieder fand ? Dann könnte dies das letzte Teil eines großen Puzzles sein.

Wie ist es eigentlich mit der C14 Datierung, hat die auch kein Licht ins Dunkel gebracht ? :?

Autor:  Publius [ Montag 4. September 2006, 16:18 ]
Betreff des Beitrags: 

Einen Legionsadler wird man wie du schon selber gesagt hast wohl kaum finden, da anscheinend alle zurückgekommen sind. Selbst wenn einer fehlen würde liegt er bestimmt nicht auf dem Schlachtfeld sondern in irgendeinem Heiligtum oder an einem Opferplatz...
Die C14 Methode ist zwar für gröbere Datierungen brauchbar, aber im Normalfall bleibt immer ein +-20 Jahre übrig. Die Schlachten der augusteischen Feldzüge liegen zeitlich zu nah beieinander, um mit C14 was zu erreichen.
Erfolgversprechender wäre die Dendrochronologie, aber dafür brauchts ausreichend große Holzstücke mit Jahresringen inclusive Borke (Vergleich der Jahresringbreiten mit der Standardkurve)
Am günstigsten wäre natürlich ein Gegenstand der Militärausrüstung mit einer Beitzerinschrift, die auch die Nummer der Legion nennt. Hätten wir dann dort die 17, 18 oder 19 Legion kann es sich eigentlich nur um ein Gefecht aus dem Jahr neun handeln, da die drei Legionen erst kurz zuvor mit Varus aus Judäa kamen und nach der Schlacht aus verständlichen Gründen nicht mehr zum Einsatz kamen. :twisted: (einzige andere Möglichkeit wäre dann Beuteausrüstung auf Seite der Germanen)

Abgesehen davon: das Puzzeln hat grade erst begonnen.... da warten noch einige Schlachten aus dem direkten zeitlichen Umfeld in dieser Region auf ihre Entdeckung, so z.B. die Schlacht am Angrivarierwall, Caecinas Schlacht an den langen Brücken.........
Ich bin gespannt ob die Diskussion nach 2009 wieder richtig losgeht.
Heads will roll..... :twisted:

Autor:  Marcus Mentellius Sermonius [ Donnerstag 7. September 2006, 19:07 ]
Betreff des Beitrags: 

Hat man eigendlich irgendeine andere Schlacht in Germanien lokalisieren können ?

Autor:  Marcus Asprenas [ Donnerstag 7. September 2006, 22:57 ]
Betreff des Beitrags: 

Ich habe vor Monaten, von einer Arbeit eines Archäologen gehört die neues an gefechten aufzeigen soll. Davon habe ich aber nicht mehr gehört. Ich denke das sie wegen Raubgräbergefahr, unter Verschluss gehalten wird.

Ich bin z. B. der Meinung:

Das, dass Lager Hedemünden(bei Göttingen), im Kampf oder in Panik verlassen wurde. Aufgrund der vielen Militaria Funde. Aber ob man das in den Historischen Kontext, also Quellenmäßig bringen kann, ist schwieriger. Da wäre ja nur das Kastell Aliso, aber ich will das nun nicht mit Hedemünden gleichstellen. Dafür habe ich mich mit dem, Kastell und den Lokalisierungsversuchen zuwenig beschäftigt. Das wäre nun nur das einzige namentlich erwähnte Kastell, was mir aus den Quellen einfällt.

Vale,

Fidelus

Autor:  Publius [ Montag 11. September 2006, 07:16 ]
Betreff des Beitrags: 

Das einzige andere Gefecht, dass mir außerhalb der RbZ einfällt ist eventuell der Dünsberg bei Gießen. Die Grabungen der letzten Jahre haben dort wiederholt Militaria im Hangbereich unter den Wällen des keltischen Oppidums erbracht. Der größte Teil der Militaria ist keltisch, geringere Teilbestände römisch.... Z.B. Schleuderbleie, ein Gladiusscheidenbeschlag mit Gemme wie der aus Kalkriese.....
Allgemein vermutet man wohl aufgrund der Datierungsansätze den Drususfeldzug um 10 v.Chr. (der Dünsberg blockiert einen der beiden möglichen Marschwege in Richtung Hedemünden.

Autor:  Iring [ Montag 3. Juni 2013, 09:19 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Kalkriese = Ort der Varusschlacht ?

2009 ist ja nun vorbei - hat sich was neues ergeben ?.

Autor:  Marcus Mentellius Sermonius [ Sonntag 30. Juni 2013, 20:29 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Kalkriese = Ort der Varusschlacht ?

salvete,

bzgl. der Varus Schlacht frage gibt es nichts neues, die neuen Befunde in Kalkriese sind noch verwirrender geworden, aber kein klarer Widerspruch zur offiziellen Interpretation. Ansonsten wurde natürlich noch die Schlacht am Harzhorn gefunden, das aber eher ins 3 Jhd gehört und ein ganz anderes Bild wie Kalkriese zeigt.

valete
Sermonius

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