Forum Romanumqe
http://board.flavii.de/

Brettchenweben
http://board.flavii.de/viewtopic.php?f=10&t=116
Seite 1 von 2

Autor:  Susanna [ Dienstag 13. Dezember 2005, 13:36 ]
Betreff des Beitrags:  Brettchenweben

Nachdem ich das nun auf fast jeder römischen Vereinswebsite lese:

es gibt KEINEN einzigen römischen Textilbeleg fürs Brettchenweben!

Archäologisch sind brettchengewebte Textilien oder Teile davon entweder keltischen oder germanischen Ursprungs.
Das schliesst eine Verwendung bei den Provinzialrömern nicht aus,
man kann ihn aber auch nicht belegen.

Das sollte man immer dazu sagen. Laut Schriftquellen und einigen seltenen Funden waren die Gürtel der römischen Damen aus Stoffschläuchen oder in seltenen Fällen aus Leder.

Wir tragen Brettchengürtel für die norisch-pannonische Tracht, bei den Treverern und Ubiern. Im stadtrömischen und italischen Bereich tragen wir sie nicht.

Liebe Grüße
Suz

Autor:  Barbara [ Donnerstag 15. Dezember 2005, 13:48 ]
Betreff des Beitrags: 

Heja!

Ich hätte da was. :pleased:
Gehört sich ja auch so, wenn man das ganze praktiziert...

Und zwar gibt es an koptischen Textilien Brettchengewebe als (angenähte!) Abschlüsse, z.B. an der Ärmelkante oder am Halsausschnitt.

Zum einen ist als Beleg eine Männertunika aus Köln (Sammlung Kolumba) zu nennen, die ca. ins 4.-5-Jhd datiert wird (kann sein dass ich mich jetzt gerade irre, ich schau mal nach und stells dann klar), zum anderen auch ein Fund, der in Brüssel ausgestellt wird, und zwar die einzige komplett geborgene sog. koptische Mumie in Kleidung und mit komplettem Grabinventar. Dank eines extrem freundlich geführten Museums gibt es eine einzige abbildung und die ist in schwarz-weiß. Ich weiß allerdings, dass die Gute wohl mehrere tuniken übereinander trägt und jede davon am Hals, an den Ärmeln und am Saum mit brettchengewebe verziert sein soll.
Auch hier gilt: ich versuch ans Matierial zu kommen und geb dan nähere Infos.

Grüße, Barbara

Autor:  Bettina [ Donnerstag 15. Dezember 2005, 15:54 ]
Betreff des Beitrags:  Koptische Funde

Hallo Barbara,

ich bin sehr gespannt auf Deine Erkenntnisse, auch wenn 4.-5. Jh. erst mal sehr spät klingt. (Ich "arbeite" gerade an der Menimane-Tracht und frage mich auch, was für einen Gürtel die Dame wohl getragen hat.)

Nun ist es ja leider so, dass Funde nicht immer die representative Realität wiedergeben, sondern nur einen winzigen Ausschnitt von ihr. Ich grüble also immer noch, ob im 1. Jh. nicht Brettchengewebtes durchaus bei den keltischen u. germanischen Provinzialrömern noch gängig ist - auch wenn es *derzeit* keine Funde gibt.

Aber wie gesagt, das ist Spekulation. Ich halte mich schon an das, was bewiesen ist. ;)
LG, Bettina

Autor:  Barbara [ Dienstag 20. Dezember 2005, 12:29 ]
Betreff des Beitrags: 

zu Gürteln aus Brettchengewebe kann auch ich nichts sagen...(außer das sie schick sind!)
In dem bereich ist alles wilde Spekulation, aber dadran haben wir ja spass, nicht? :D

Autor:  Marion [ Dienstag 24. Januar 2006, 12:40 ]
Betreff des Beitrags: 

Andere Frage, um das mal wieder aufzuwärmen. Wenn es keine Brettchengewebten Gürtel gibt für die Zeit des 1. und 2. Jhs. (und danach für geraume Zeit), was für Gürtel wurden dann getragen? Insbesondere bei Frauen...
DASS gegürtet wurde, steht wohl außer Frage. Aber mit was?
Leder? Stoff? Gedreht oder nicht? Gewebt oder nicht? Vielleicht geflochten?

Würde mich ehrlich gesagt interessieren, da es ja auch die eigene Tracht beeinflusst. zur Zeit trage ich nämlich noch meinen eigenen selbstgewebten Brettchenwebgürtel. Aber auf die Dauer... nein, da fühle ich mich selber dann nicht wohl mit. Aber was aussehen soll es halt auch.
Ich würde wetten, das ging der antiken Frau genauso!

Autor:  Susanna [ Dienstag 24. Januar 2006, 16:47 ]
Betreff des Beitrags: 

Ich hab meinen auch noch und es gibt germanische Funde aus dem ersten Jh. nach, soweit ich weiss. Danach kommen sie auch in Ägypten vor ab dem 3.Jh. nach. Die nachgewissenen Gürtel sind aus Stoff oder grob gewebter Wolle. Hab hier einen neue Quelle in "Archäologie in der Schweiz", neueste Ausgabe ist ein Tunikagürtel abgebildet aus Wolle.

Autor:  Tib. Gabinius [ Dienstag 24. Januar 2006, 16:55 ]
Betreff des Beitrags: 

Ist zwar gar nicht mein Thema :oops: aber ich erinnere mich an die norisch pannonischen Frauengürtel, Leder mit Beschlägen.

Pausch stellt auch zur Diskussion, dass es durchaus praktikable Gürtel gab, also neben denen aus Wolle auch einfache Stricke und Riemen, verdeckt durch das Raffen der Kleidung.
Auch hier spiegelte sich garantiert wieder, welcher Klasse man angehörte.

Autor:  Barbara [ Mittwoch 25. Januar 2006, 21:04 ]
Betreff des Beitrags: 

Also, dass es Brettchengewebtes gab, ist jetzt klar: Funde von viereckigen und dreieckigen Webbrettchen (zumeist aus Bein) gibt es im provinzialrömischen des öfteren, ich möchte hier zunächst einaml die Funde aus der Augusta raurica (Augst) aus der mittleren Kaiserzeit nennen.

Zum einen gibt es hier drei dreieckige Webbrettchen, alle einen millimeter dick. Mit ihnen lassen sich keine so "tollen" musterbänder weben, sie taugen aber wunderbar, um strapazierfähige Bänder herzustellen. Datiert werden zwei davon durch den Fundkontext zum einen 125-210 nach (oder 1-100, hier ist sich Frau Deschler-Erb nicht sicher) und zum anderen 270-400 nach Christus.
Desweiteren gibt es hier auch den Fund von einem viereckigen Webbrettchen mit einem Zentralen Mittelloch; solche Brettchen benutzte man wohl ebenfalls hauptsächlich zur Herstellung fester Riemen, es ist aber auch genauso möglich, schicke verzierte Bänder damit zu weben.
(Fundstücke und Datierung nach: Sabine Deschler-Erb, Römische Beinartefakte aus Augusta Raurica; Katalog, Augst 1994)

Ebenso glaube ich mich an Webbrettchenfunde aus Xanten zu erinnern, ich kann nur zur Zeit leider die Bearbeiterin der Knochenfunde aus Xanten telefonisch nicht erreichen...Ich denke, es waren einfache, relativ kleine, viereckige Brettchenfragmente ohne Mittelloch.

Also, gegeben hat es die Technik in der römischen Kaiserzeit definitiv. Zu was sie genau verwendet wurde ist unklar, ob es einzelne Bänder mit rein funktionalem Zweck waren oder gemusterte Bänder, die nebenbei auch noch eine zierende Funktion hatten, oder, dritte Möglichkeit, das ganze mit direkt in den Stoff als "Webkante" eingearbeitet wurde - Siehe die Textilfunde aus den Mooren in Norddeutschland und Dänemark, hier sind die Mäntel an allen Seiten mit extrem breiten Brettchengewebe versehen (die Funde werden allerdings als "germanisch" bezeichnet)

Warum also nicht eine Technik, die es gegeben hat, verwenden, um damit reißfeste Gürtel herzustellen, die noch dazu schick sind?

Autor:  Susanna [ Donnerstag 26. Januar 2006, 10:42 ]
Betreff des Beitrags: 

Danke Barbara für die viele Mühe.

Diese dreieickigen Brettchen werden aber nicht zuverlässig als Brettchen gedeutet.
Im Katalog "Musen-Musik und Tanz in der Antike" (Ausstellung war vor 4 Jahren in Berlin) werden dieselben Brettchen als "Schwirrhölzer", sog.
"enyx", ein mysthisches Kultinstrument, welches durch Schriftquellen belegt ist.
Ich habs ausprobiert, es summt tatsächlich.

Einzelne Brettchen sind daher wohl immer der Interpretation des Finders ausgesetzt. Textilfunde wären notwendig.
Aber den zweiten Fund kannte ich noch nicht, danke Barbara.
Durch germanische Funde ist die Technik (bereits seit dem alten Ägypten) hinreichend belegt, da hat du Recht. Aber alle römischen Gürtelfunde sind halt nicht brettchengewebt.
Oder kennt wer andere?

Autor:  Barbara [ Montag 30. Januar 2006, 12:52 ]
Betreff des Beitrags: 

Wie viele römischen (Frauen!)Gürtel hat man denn gefunden, nur so als Frage, ob denn das auch repräsentativ ist?

Mit den dreieckigen Brettchen lässt sich aber eben auch genau so gut weben, und die Abarbeitungen an den Löchern, die sich in den Ecken befinden, lassen darauf schließen, dass Fäden durchgezogen wurden und die Brettchen sich entlang dieser festen Fäden gedreht haben. Wie ist das denn dann mit den Schwirrrhölzern, Susanna? Ist da der Faden dran festgebunden und man "schwirrt" das ganze dann durch "lassoartiges" kreiseln des Fadens? Dann dürfte es ja keine solchen abriebspuren geben. (soweit meine These)

Desweiteren gibt es in einem (leider älteren) Buch von J.P. Wild ("Textile manufactures in the northern provinces", Cambridge 1970) hinweise auf weitere, vermutlich römische Webbrettchen, auch viereckige: er listet 7 Funde von quadratischen Webbrettchen in Kontinentaleuropa auf, jeodch ist die zuordnung zum römischen Fundkontext nicht sicher, aber auch er hat das alles nur von anderen autoren abgeschrieben, das ganze muss also weiter nachgeprüft werden.
Fundorte wären: Boos (bei Bad Kreuznach), Hermsheim (Bei Mannheim), Mainz (2x), Planig (3x).
Dreieckige Webbrettchen nennt er als Funde aus Bingen, Koblenz, Trier (2x) und Vindonissa.
Das sind alles nur exemplarische Listen, die Arbeit bezieht sich ja Hauptsächlich auf Materialien aus Britannien, dort kann er die Funde auch sicherlich römischen Schichten zuordnen, zu nennen wären:

Quadratische Brettchen mit 4 Löchern: Alchester (b. Oxford),Wroxeter (2x)
Dreieckige: Caister-by-Yarmouth, Corbridge (2x), Corinium (Cirencester), Richborough, Wroxeter (2x)

Desweiteren andere, die er aber wie gesagt nicht sicher zuordnet.
Alle diese Funde sind aus Bein.

So, ich bin gespannt auf die Beschreibung der "Schwirrhölzer" (auch wenn sich das am besten wohl im vorgeführten Beispiel klären lässt...)
Fühlen wir dem Thema mal auf den Zahn... :D

Bis bald, Barbara

Autor:  Bettina [ Donnerstag 2. März 2006, 15:57 ]
Betreff des Beitrags:  Brettchenfunde im Römischen Reich

Sorry, dass ich mich so lange rar gemacht habe.

Barbara, Dir herzlichen Dank für Deine sorgfältige Recherche. Auf die (leider älteren) Quellen von John Peter Wild bin ich inzwischen auch gestoßen. Ergänzend sei noch folgende Quelle genannt:

Wild, John Peter: "Some New Light on Roman Textiles." Textilsymposium Neumünster, Archäologische Textilfunde, Hsg. Lise Bender Jörgensen und Klaus Tidow (1982).

Hier wird konkret auf ein einfaches (schlichtes), in Zweilochtechnik gewebtes Band verwiesen, welches auf einen Saum aufgenäht war. Fundort ist Mainz.
(Das freut Frau Menimane, :D )

Ich denke, dass es durchaus in der gesamten Römischen Kaiserzeit eine gewisse Präsenz von Brettchengewebtem gab, da es ja auch whrd. der Völkerwanderung und im Frühmittelalter praktiziert wurde, so dass es offenbar nie ganz "verloren ging".

Als Träger dieses Wissens vermute ich allerdings auch eher (romanisierte) Germanen und Kelten.

Natürlich drängt sich auch mir als Frau die Frage auf, warum die Römerinnen nicht auch von den vielfältigen schmückenden Mustermöglichkeiten des Brettchengewebes angetan gewesen sein sollen und es von den Peregrinen übernahmen.

LG, Bettina

Autor:  Susanna [ Sonntag 30. April 2006, 10:06 ]
Betreff des Beitrags: 

Ich hab da Brettchen gefunden:

http://ourpasthistory.com/Gallery/textiles

auch sonst sehr tolle Seite :D

Autor:  Vedhoarix [ Dienstag 2. Mai 2006, 12:10 ]
Betreff des Beitrags: 

Hi,

nur mal kurz zur Info:
selbst für die keltische Latène-Zeit gibt es kaum nachweise für Brettchengewebe. Es gibt noch vereinzelt Abschluss-/Anfangskanten, die mit wenigen Brettchen gewebt sind, aber die bekannten aufwenidgen Muster, wie sie für die Hallstattzeit belegt sind, finden sich nur noch im 5. Jhdt. also der Lt A.
Gürtel sind keine belegt. Diese waren primär aus Leder. Auch für die Damen.

Autor:  Barbara [ Mittwoch 3. Mai 2006, 18:34 ]
Betreff des Beitrags: 

Danke, Susanna, für die Brettchen - kannt ich schon :-)

Zum Thema Latène/Hallstattzeit:
In der Hallstattzeit gibts Hügelgräber und damit bessere Erhaltungsbedingungen für Stoffe, hier gibts auch die entsprechenden Funde, genau wie in anderen Fundsituationen, z.B. Salzbergwerk. Solche fundplätze gibts aus der Latène nicht, da zum dem Zeitpunkt die Gräber flach angelegt sind und auch die Brandbestattung eine größere Rolle spielt.
Gibt's überhaupt textilfunde aus der Latène (außer frühe La Téne A, die ja teilweise noch als Hallstattzeit zu rechnen ist, je nach Forschungsmeinung divergieren da die Angaben)? Ab dem 4. Jhd. vor Christus kenn ich nämlich nix mehr.

Nichtsdestotrotz geht es hier um die römische Kaiserzeit.

Also, was haben wir denn an Realia zum thema römische Frauenkleidung?

Sehen wir mal von metallenen Trachtbestandteilen ab, die ja wesentlich höhere Überlebenschancen haben als Stoffe oder Leder, ist die Ausbeute an Funden seeehr gering, vor allem zum thema Frauenkleidung. Die Männerwelt hat es da (teilweise, v.a. in der Spätantike) etwas einfacher.

Mir ist nämlich kein einziger archäologischer Fund bekannt, außer einem spätantiken, sog. "koptischen", da gibt's nämlich ne Mumie in Brüssel, und die trägt mehrere tuniken übereinanderen, bei denen Halsausschnitt, Ärmelkanten und ich glaube auch der eine oder andere Saum mit Brettchenwebborte nachträglich verziert wurden (siehe Beitrag vom 15.12.) Datiert glaube ich ins 5. oder 4. Jhd, ich hab schon meinen Dozenten darauf angesetzt, der fährt da in zwei Wochen hin.

Bei Ledergürtel ergibt sich das problem, dass man die dinger ja irgendwie zusammenhalten muss, da Knoten in Leder sehr unschön sind. Also braucht man eine gürtelschnalle. Die haben wir aber - außer in einigen bestimmten Provinz-Trachten, z.B. Norisch-Pannonisch) nicht. Also fällt Leder flach (außer man nimmt Gürtelschnallen aus Holz oder Horn..aber seid doch mal realistisch, Mädels, welche Frau würde sowas tragen???).

Also blieben uns die schon bereits aufgelisteten Materialien.

Das Brettchengewebt wurde, ist aus den Funden (definitiv 2.-4. Jh.) ja wohl klar. Das Gegürtet wurde, ist auch klar. Ob man jetzt Brettchenwebborte zum Gürten verwendet hat, ist nicht klar, aber nicht unmöglich. :!:[/b]

Autor:  Susanna [ Donnerstag 4. Mai 2006, 08:01 ]
Betreff des Beitrags: 

In der letzten oder vorletzten Ausgabe von "Archäologie in der Schweiz" ist ein Wollgürtel (römisch) publiziert worden.
Hab ich auch schon Andreas für seinen Artikel diktiert.

Seite 1 von 2 Alle Zeiten sind UTC + 2 Stunden
Powered by phpBB® Forum Software © phpBB Group
http://www.phpbb.com/